Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Einleitung

Die Quellen

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts ist ein Lebenslauf des Verstorbenen, die sogenannten Personalia, obligatorischer Bestandteil jeder Leichenpredigt. Meist wurden diese Lebensläufe von den Predigtverfassern auf der Grundlage von Erzählungen der Hinterbliebenen bzw. unter Hinzuziehung schriftlicher Aufzeichnungen formuliert. Ein Teil der überlieferten Personalia enthält jedoch autobiographische Lebensläufe, welche die Verstorbenen schon zu Lebzeiten niedergeschrieben hatten. Die Verfasser der Leichenpredigten ergänzten diese Texte mit einer Einleitung, einem Bericht über die letzten Lebensjahre des Verstorbenen und einer Würdigung seiner Person. Nach vorläufigen Schätzungen enthalten rund fünf Prozent aller Leichenpredigten autobiographische Lebensläufe.

Diese Texte unterscheiden sich von nicht-autobiographischen Personalia durch ihre individuellen Akzentsetzungen und lassen persönliche Erfahrungen, Erwartungen und Wertungen ihrer Autoren erkennen. Darin liegt ihr besonderer Quellenwert. Weil sie einen bestimmten Umfang nicht überschreiten durften, waren ihre Verfasser gezwungen, sich ihre Lebensgeschichte in einer konzisen Form zu erschreiben und ihrem autobiographischen Gedächtnis Ereignisse zu entnehmen und darzustellen, die ihr Leben besonders geprägt hatten. Außerdem dienten diese Lebensläufe mehr als andere Selbstzeugnisse dazu, für die eigene Memoria vorzusorgen. Ihre Verfasser konnten durch sie das Bild, das die Nachwelt von ihnen haben würde, präfigurieren. Mehr als in anderen Selbstzeugnissen hatten die Verfasser dieser Texte, auch weil sie sub specie aeternitatis Rechenschaft ablegen wollten, Anlass zur Selbstreflexion, zur (Weiter-)Entwicklung eines Selbstkonzeptes und eines präsentierbaren Selbstbildes. Aus einigen dieser Autobiographien geht hervor, dass sich die Autoren im Laufe ihres Lebens die Texte mehrfach vornahmen, um sie zu ergänzen oder zu verändern. Alles in allem haben wir es hier mit einer Sonderform der sozialen und kulturellen Praxis autobiographischen Schreibens zu tun, die erst durch die Leichenpredigt ins Leben treten konnte.

Zur Edition

In dieser digitalen Edition will die Forschungsstelle für Personalschriften eine Auswahl von zehn solcher Selbstzeugnisse thüringischer Provenienz veröffentlichen, die bei der Katalogisierung von Leichenpredigten-Sammlungen in Thüringen ermittelt wurden. Die Texte werden zunächst aus den vom Mikrofilm gescannten Originalen manuell nach bestimmten Transkriptionsregeln erfasst und anschließend in das TEI-P5-Format übergeführt. Auf der Grundlage des TEI-Moduls Names, Dates, People and Places werden in den Texten erscheinende Personen- und Ortsnamen sowie Datumsangaben ausgezeichnet. Die der digitalen Edition zugrunde liegende TEI-codierte XML-Datei kann in der Textansicht jedes Lebenslaufes über den Button XML abgerufen werden.

Textansicht eines Lebenslaufes

In der eigentlichen digitalen Edition sind die gescannten Seiten des Originals und ihre Transkription einander gegenübergestellt. Die in den Texten vorkommenden Orte sind, wenn sie identifiziert werden konnten, mit der frei zugänglichen geographischen Internet-Datenbank GeoNames verlinkt. Wenn man einen Ortsnamen anklickt, wird die Seite mit den wichtigsten Geodaten des zugehörigen Ortes in GeoNames geöffnet. Auf einem Google-Maps-Ausschnitt kann man ihn lokalisieren. Gleichermaßen sind die in den Quellen erscheinenden Personennamen mit der Gemeinsamen Normdatei (GND) verlinkt. Durch Anklicken eines Personennamens gelangt man in die Website der Deutschen Nationalbibliothek und sieht die in der GND enthaltenen Personendaten. Zeigt der Cursor im transkribierten Text auf einen Personen- oder Ortsnamen, auch auf einen unverlinkten, so öffnet sich ein Popupfenster, das den normierten Namen anzeigt, wie er auch im Register erscheint.

Register

Nach bestimmten Personen und Orten kann man in den entsprechenden Registern recherchieren. Die durchnummerierten Nachweise sind nach den Quellen gruppiert und mit den Stellen in den transkribierten Texten verlinkt, wo sie erscheinen. Um sich leicht über die jeweiligen Orte und Personen informieren zu können, sind auch die Registereinträge mit GeoNames oder GND verlinkt worden.

Zeitleiste

Außerdem kann der Nutzer über drei interaktive visuelle Zugänge auf die Quellen zugreifen. Auf einer interaktiven Zeitleiste werden die in den Texten erwähnten und datierten Ereignisse im Leben des Verfassers angezeigt. Außerdem gelangen abgrenz- und datierbare Lebensabschnitte zur Darstellung. Beim Anklicken eines Ereignissymbols oder eines Zeitspannenbalkens öffnet sich ein Popupfenster mit einem Label. Dieses ist mit derjenigen Stelle in der Transkription verlinkt, an der das Ereignis oder die Zeitspanne erwähnt wird.

Karte mit Lebensstationen

Zur Veranschaulichung des Raumes, in dem das Leben des Verfassers einer Autobiographie stattfand, ist jeder Quelle eine interaktive Karte beigegeben, auf der die Lebensstationen des Verfassers markiert sind. Beim Anklicken eines Ortssymbols öffnet sich ein Popupfenster mit dem Ortsnamen und Links, die zu den Vorkommen des Ortes in der Transkription führen. Der Kartenausschnitt ist verschieb- und zoombar. Der Layer mit den Lebensstationen kann ausgeblendet werden.

Personennetzwerk-Graph

Ein interaktiver Graph veranschaulicht das Personennetzwerk, das der Verfasser in seiner Autobiographie aufspannt. Um dieses Netzwerk darstellen zu können, wurden die Beziehungen der in einer Quelle erwähnten Personen vor allem zur Hauptperson und z.T. auch untereinander erfasst. Die Beziehungen sind in vier Klassen unterteilt: familiäre, mit der Ausbildung zusammenhängende, berufliche und sonstige. Die Rollen, welche die im Text erwähnten Personen gegenüber dem Verfasser einnehmen, werden in prägnanten Bezeichnungen gefasst und im Graph an den Kanten ausgewiesen. Durch Anklicken eines Personenknotens gelangt man zum Eintrag der jeweiligen Person im Personenregister und von dort weiter in die Quelle. Der Graph ist verschieb- und zoombar.

Nutzungsbedingungen

Die Inhalte der digitalen Edition AutoThür der Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, stehen, soweit nichts anderes vermerkt ist, unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.