Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Bildungsgeschichte

Peregrinatio academica und Kavalierstour eines adeligen Studenten

Die Leichenpredigten sind durch ihre ausgebildeten Personalia im Gegensatz zu den konventionellen Quellen der Bildungs- bzw. Universitätsgeschichte, den Matrikelverzeichnissen, in der Lage, nicht nur das Immatrikulationsalter eindeutig festzulegen, sondern sie geben auch detailliert Auskunft über die schulische Ausbildung, die peregrinatio academica, d.h. den Besuch verschiedener Universitäten, die jeweilige Verweildauer und die sich anschließende bzw. gleichzeitig durchgeführte Kavalierstour, wie das Beispiel des 1565 in Lehnin (Brandenburg) geborenen und am 25. Dezember 1594 ebenda gestorbenen adeligen Studenten Wolff von Brösicke zeigt.

Zum Vergrößern hier klickenKavalierstour Wolff von Brösickes
Kavalierstour Wolff von Brösickes

Wolff besucht im Alter von acht Jahren für zwei Jahre die "Particularschule" im nahegelegenen Berlin. Zwischen 1575 und 1578 wird er in Lehnin von einem Hauslehrer erzogen. Anschließend besucht er die Fürstenschule in Meißen, um 1581 die Universität Straßburg zu beziehen. Von Straßburg wechselt er 1583 an die Universität Basel und hält sich von 1584 bis 1586 in Genf und Lyon auf. Im Jahre 1586 bereist Wolff von Brösicke Italien mit den Zentren Neapel, Rom und Venedig. Noch im Jahre 1586 schreibt er sich an der Universität Padua ein. Ab 1590 setzt er seine Studien in Leipzig fort, um im Sommer 1592 die Städte in "Holland und Seeland" zu bereisen. Danach begibt er sich nach London und Oxford, wo er zwei Jahre studiert. Über Schottland, Irland und "andere orten Länder mehr" kehrt er zu Michaelis (29. September) 1594 nach Lehnin zurück, wo er am 25. Dezember stirbt.

Durch den Besuch der Fürstenschule, der berühmtesten Universitäten im Abendland und der zentralen Handelsplätze erlernte er "Rittermessige Tugenden und übungen" und wurde "in der Lateinischen und Französischen/Italiänischen und Engeländische[n] Sprache wol erfaren und geübet".

Wolff von Brösicke hatte eine für einen Adeligen seiner Zeit klassische Ausbildung (allerdings ohne Abschluss) genossen, die ihn zu einer steilen Karriere im Verwaltungsdienst befähigt hätte.