Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Henry Frederick, Prince of Wales (1594-1612)

01.08.2010

Kategorie: Leben in Leichenpredigten

Von: Kerstin Weiand

The Patterne of that Master-peece – Der Tod des Thronfolgers und die Geburt eines Hoffnungsträgers

Henry Frederick, Prince of Wales [1/2]

Am 6. November 1612 starb der Prince of Wales, Henry Frederick, nach kurzer Krankheit im Alter von gerade einmal achtzehn Jahren.[1] Die Reaktion der Öffentlichkeit auf den überraschenden Tod des ältesten Sohns und Thronfolgers Jakobs I. von England war beispiellos. Ganz England, so schien es, trauerte um den jungen Prinzen.[2] Bis heute wird diese Trauer in einer ungewöhnlich großen Zahl überlieferter Trauerschriften, die im Druck verbreitet wurden, manifest. Zu den Autoren zählen neben zahllosen unbekannten auch die wichtigsten literarischen Größen der Zeit, so etwa John Donne oder Thomas Campion.[3] Diesem publizistischen Echo stand das symbolische in keiner Weise nach: Das überaus aufwendige Begräbniszeremoniell orientierte sich an dem eines Königs, und der Leichenzug, der den Sarg Henrys von St James's Palace zur Westminsterabbey begleitete, war mit 2.000 Teilnehmern größer als der Elisabeths I., die im Jahr 1603 gestorben war.[4] Dies erscheint zunächst verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Henry aufgrund seines jugendlichen Alters die politische Bühne als selbstständiger Akteur gerade erst betreten hatte. Nur zwei Jahre vor seinem Tod, im Jahr 1610, war er in einer feierlichen Inszenierung zum Prince of Wales ernannt worden. Zwar wurden dem Kronprinzen weitreichende politische Ambitionen nachgesagt, einen wirklichen Nachweis seines Könnens blieb er jedoch zu Lebzeiten schuldig.

Wenn also nicht in seiner politischen Funktion, so kann man fragen, worin lag dann die Bedeutung von Prince Henry für die Zeitgenossen, die sich in dieser intensiven öffentlichen Trauer niederschlug? Es empfiehlt sich, in der Biographie Henrys ein wenig zurückzugehen. Am 19. Februar 1594 kam Henry Frederick auf Stirling Castle als erstgeborener Sohn Jakobs, damals nurmehr Jakob VI. von Schottland, und dessen Frau Anna zur Welt. Ins Licht der englischen Öffentlichkeit trat Henry, nachdem sein Vater 1603 als Jakob I. auch den Thron von England bestiegen hatte. In diesem Jahr war Elisabeth I. (1558-1603) ohne Nachkommen gestorben und mit ihr das Haus Tudor erloschen. Damit vollzog sich ein Dynastiewechsel und die englische Krone ging über auf Jakob Stuart, den schottischen Verwandten Elisabeths.

Während die Tudor-Dynastie und ihre schillernden Herrscherpersönlichkeiten auf die Nachwelt und insbesondere auch auf die Historiker einen Reiz ausgeübt haben mag, war das Urteil der Zeitgenossen keineswegs euphorisch. Im Gegenteil wurde die Thronbesteigung Jakobs als Anbruch einer neuen Ära bejubelt. Diese Begeisterung stand in unmittelbaren Zusammenhang mit der Person Henrys. England hatte in der jüngeren Vergangenheit mit Edward VI. (1547-1553), Maria I. (1553-1558) und Elisabeth I. (1558-1603) die Herrschaft eines kränklichen Kindes und zweier Frauen erlebt, die sämtlich an der Hervorbringung von eigenem Nachwuchs und damit der Gewährleistung einer sicheren Thronfolge gescheitert waren. Eine ungesicherte Nachfolge bedeutete aber im Kontext des dynastischen Fürstenstaates der Vormoderne immer auch die Gefahr von Machtkämpfen oder gar eines Bürgerkrieges. In Henry jedoch stand nun seit 56 Jahren zum ersten Mal wieder ein männlicher Thronfolger bereit. Dieser aber versprach für die Zeitgenossen dynastische und damit verbunden politische und soziale Stabilität. Die Zustimmung für Jakob war demnach in nicht geringem Maße mit Henry verbunden. Eine Elegie auf den Tod Elisabeths wird in diesem Sinne gar zu einer Lobhymne. So heißt es bei John Fenton: But now (O blessed now) we have a King: From whom both grace, peace, hope, and heirs doe spring.[5] Die Bedeutung des jungen Prinzen lag damit zu Lebzeiten weniger in einer institutionellen politischen Funktion als vielmehr in der mit seiner Person verknüpften Bewahrung der sozialen und politischen Ordnung, die ihm die Aufmerksamkeit der englischen Öffentlichkeit garantierte.

Mit seinem Tod jedoch verschob sich die öffentliche Wahrnehmung des Prinzen weg von einem dynastischen hin zu einem politischen Hoffnungsträger. Indem ihm nun konkrete politische Zielsetzungen, vor allem der Kampf gegen die katholischen Mächte Europas, sowie außerordentliche politische Tugenden und Fähigkeiten zugeschrieben wurden, avancierte Henry zum Modell einer alternativen Politik. Nicht die Hoffnung auf den Erhalt der Dynastie, sondern auf einen politischen Richtungswechsel verband sich nun mit seinem Namen. Gerade Henrys geringe politische Erfahrung und Profilierung förderte diesen Prozess. In der Trauer um den verstorbenen Thronfolger ließen sich Gegenprogramme zur aktuellen Ausrichtung der Regierung formulieren, ohne die Loyalität der Autoren zu Dynastie und Krone in Frage zu stellen. Gerichtet gegen die überkonfessionelle europäische Friedenspolitik seines Vaters, die im protestantischen England viel Kritik evozierte, wurde die Erinnerung an Henry in diesem Sinne argumentativ eingesetzt.[6] Der Sohn wird zum Vorbild für seinen Vater stilisiert, die gewohnte Hierarchie also umgekehrt. Damit aber teilt Henry das Schicksal zahlreicher früh verstorbener Thronfolger, die als Projektionsfläche politischer Wünsche und Idealvorstellungen Unsterblichkeit erlangten.

 

Dr. des. KERSTIN WEIAND war Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt "Herrschermemoria und politische Norm in der Frühen Neuzeit" an der Philipps-Universität Marburg.

 

Anmerkungen:

[1] Der Titel "The Patterne of that Master-peece" entnommen der Trauerschrift: George Chapman, An epicede or funerall song on the most disastrous death, of the high-borne prince of men, Henry Prince of Wales, London 1612/1613, Bl. B1'.

[2] Roy Strong, Henry, Prince of Wales and England's lost Renaissance, London 1986, S. 220-224; Jerry Wayne Williamson, The Myth of the Conqueror. Prince Henry Stuart. A Study of 17th Century Personation, New York 1978, S. 171-193.

[3] Jennifer Woodward, The Theatre of Death. The Ritual Management of Royal Funerals in Renaissance England 1570-1625, Woodbridge 1997.

[4] Ebd, S. 148-165.

[5] John Fenton, King Iames his welcome to London With Elizaes tombe and epitaph, and our Kings triumph and epitimie. Lamenting the ones decease, and reioycing at the others accesse. Written by I.F., London 1603, Bl. B4'.

[6] William Hunt, Spectral Origins of the English Revolution. Legitimation Crisis in Early Stuart England, in: Geoff Eley/William Hunt (Hg.), Reviving the English revolution. Reflections and Elaborations on the Work of Christopher Hill, London 1988, S. 305-332, insbesondere S. 317-329.

 

Zitierweise: Kerstin Weiand, Henry Frederick, Prince of Wales (1594-1612). The Patterne of that Master-peece – Der Tod des Thronfolgers und die Geburt eines Hoffnungsträgers, in: Leben in Leichenpredigten 08/2010, hg. von der Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, Online-Ausgabe: <http://www.personalschriften.de/leichenpredigten/artikelserien/artikelansicht/details/henry-frederick-prince-of-wales-1594-1612.html>

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