Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Bernhard von Miltitz (1570-1626)

01.06.2012

Kategorie: Leben in Leichenpredigten

Von: Holger Kürbis

Um die halbe Welt

Modell einer Malteser-Galeere [1/4]

In der Regel enthalten die Personalia von Leichenpredigten mehr oder weniger umfangreiche Angaben über die Ausbildung und gegebenenfalls über die Reisen des Verstorbenen. In vielen Fällen beruhen diese Informationen auf Lebensbeschreibungen oder - allerdings nicht so häufig - auf Reiseberichten. Entsprechende Auswertungsmöglichkeiten sind bisher keineswegs ausgeschöpft.[1] Für das späte 16. und frühe 17. Jahrhundert finden sich immer wieder Beispiele von Adeligen aus dem Alten Reich, deren Reisen über den europäischen Raum hinausführten. Selten hingegen ist der Fall, dass diese Reisen in den Leichenpredigten in einer Ausführlichkeit dokumentiert sind wie im Falle Bernhard von Miltitz’.[2] Die Angaben zu dessen unterschiedlichen Kriegszügen und Reisen basieren auf einem heute vermutlich verlorenen Reisebericht, der aber Johann Dürr, Pfarrer in Pretzsch/Elbe, bei der Abfassung der Personalia vorlag: [...] wie ers [Bernhard von Miltitz] selber in Spannischer Sprache verzeichnet hat/ daraus so viel mueglich gewesen/ hieher gesetzt worden ist.[3]

Hinsichtlich seiner Ausbildung und den frühen Jahren unterschied sich der Lebensweg Bernhard von Miltitz’ kaum von dem seiner Standesgenossen. Aus einer alten sächsischen Adelsfamilie stammend, absolvierte er eine kurze akademische Ausbildung an der Universität Wittenberg, trat dann für einige Jahre als Page in den Dienst eines Vetters, der Rittmeister am Hof des sächsischen Kurfürsten war. Weil er aber gleichsam von Natur mehr dem Hofleben/ vnd Kriegswesen/ als den literis zugethan gewesen/ ist er vber ein Jahr nicht viel auff selbiger Vniversitet geblieben [...][4] Einige Zeit diente er in der Leibgarde des sächsischen Kurfürsten Christian I. Als aber im Jahre 1591 Fürst Christian von Anhalt-Bernburg ein Kontingent zur Unterstützung der Hugenotten nach Frankreich führte, erbat Bernhard von Miltitz seinen Abschied und nahm an diesem Zug teil.[5] Das folgende Jahrzehnt war für ihn, wie es im Titel der Leichenpredigt auch treffend heißt, tatsächlich ein denkwürdiges. Bereits im 1592 trat er in den Niederlanden in den Dienst des Grafen Philipp von Hohenlohe, kehrte aber im Jahre 1593 zunächst in seine Heimat zurück. Schon im folgenden Jahr brach Bernhard von Miltitz erneut auf, diesmal zu einer außergewöhnlichen Reise. Zunächst begab er sich über die Niederlande und England abermals nach Frankreich. In Dieppe (Département Seine-Maritime) heuerte er als Leutnant auf einem Kaperschiff an.

Für französische Freibeuter waren lange und mit unterschiedlichen Risiken behaftete Kaperfahrten, die aber auf der anderen Seite einen erheblichen Gewinn versprachen, keine Seltenheit. Bereits seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts befuhren die Franzosen im Gefolge der Portugiesen und Spanier die Routen nach Indien und Südostasien bzw. nach Nord- und Südamerika. Da Portugal und Spanien den Zugang und den Handel mit den überseeischen Gebieten monopolisiert hatten, waren die übrigen europäischen Mächte ausgeschlossen. Allerdings ließen sich französische, später englische und niederländische Unternehmer nicht davon abhalten, rüsteten einzelne Schiffe oder Flotten aus und unterliefen die Handelsbeschränkungen. Im Kriegsfall wurden aus den Händlern Freibeuter. Die Grenze war ohnehin fließend.[6]

In diesen Bahnen bewegte sich auch die Fahrt, an der sich Bernhard von Miltitz beteiligte. Die Route führte zunächst über die Kanarischen zu den Kapverdischen Inseln. Mehrmals wurde auf dem Weg nach Süden die afrikanische Küste angelaufen. Um das Kap der Guten Hoffnung führte die Reise nach Indien und weiter bis Malakka, allerdings erwies sich das Unternehmen bis dahin als nicht sonderlich lukrativ. So führte der Weg wieder zurück nach Westen. Über den Südatlantik wurde zunächst die Küste Brasiliens angesteuert, bevor der Kurs Richtung Norden in die Karibik bis zur Insel Hispaniola führte, die sie im März 1596 erreichten. Hier sollten gefangene Afrikaner an die Spanier verkauft werden. Die französischen Freibeuter folgten in dieser Hinsicht dem englischen Vorbild. Bereits in den 1560er Jahren hatte John Hawkins auf ähnliche Weise seinen Wohlstand begründet.[7] Im Jahre 1595 war zwischen Frankreich und Spanien erneut der Krieg ausgebrochen. Ob die Freibeuter davon Kenntnis hatten, ist nicht sicher. Zudem hatten im gleichen Jahr John Hawkins und Francis Drake einen weiteren Angriff auf die spanischen Besitzungen in der Karibik unternommen. Die Aufmerksamkeit der Spanier dürfte also recht hoch gewesen sein. Das bekamen auch die französischen Freibeuter zu spüren. Mit einer List an Land gelockt, gerieten sie in spanische Gefangenschaft. Bernhard von Miltitz hatte allerdings Glück. Er machte die Bekanntschaft eines Priesters, mit dem er sich aufgrund seiner Lateinkenntnisse verständigen konnte. So erhielt er einige Hinweise, wie er sich vor Gericht verhalten sollte. Das scheint funktioniert zu haben, denn er war der einzige aus der Besatzung, der frei kam. Kapitän und Steuermann wurden gehenkt, die restliche Mannschaft sollte zwei Jahre auf den Galeeren verbringen.

Miltitz aber erhielt die Erlaubnis zur Reise nach Spanien. Der erste Versuch endete mit einem Schiffbruch. Im zweiten Anlauf erreichte er im Dezember 1596 mit der jährlichen Silberflotte den Hafen von Sanlúcar de Barrameda. Bis zum Beginn des Jahres 1599 hielt er sich am spanischen Hof auf. Ob er in einem Dienstverhältnis stand, geht aus dem Text nicht hervor. Im Juni des gleichen Jahres begab sich Miltitz an Bord einer Galeere, die zur Flotte gehörte, die Erzherzog Albrecht VII. von Österreich, Regent der spanischen Niederlande, nach Italien brachte. Von Savona aus begab er sich zunächst nach Genua, dann über Pavia nach Mailand. Von dort reiste er wieder zum Meer und ging an Bord eines Schiffes nach Süden. Ende Juli war er in Rom, anschließend begab er sich weiter nach Neapel, wo er bis Oktober 1599 blieb. Seine Reise nach Norden führte ihn u.a. durch Pisa und Florenz, Bologna und Venedig. Über Augsburg und Nürnberg kehrte er schließlich Anfang des Jahres 1601 zurück nach Sachsen. In den folgenden Jahren bereiste er noch zweimal Frankreich, England und die Niederlande. Desgleichen betraute ihn der sächsische Kurfürst Christian II. mit Gesandtschaften nach Frankreich, England und an Erzherzog Albrecht VII. in den spanischen Niederlanden. Bernhard von Miltitz erhielt bald darauf die Hauptmannschaft der drei Stifter Meißen, Merseburg und Naumburg sowie der Grafschaft Mansfeld. In dieser Funktion war er in seinen letzten Lebensjahren auch in die Wirren des beginnenden Dreißigjährigen Krieges verwickelt.

Johann Dürr, der Verfasser der Leichenpredigt, konzentrierte sich in erster Linie auf die Zusammenfassung der Reiseroute und exemplarischer Begebenheiten, basierend auf den Aufzeichnungen Bernhard von Miltitz’. Die Kürzungen sind dabei nicht immer frei von Fehlern. Besonders zu erwähnen sind aber die eingestreuten Pflanzen- und Tierbeschreibungen. Für den ostindischen Teil wurden naheliegend Pfeffer, Zimt, Muskat und Nelken ausgewählt. Mehr Beschreibungen finden sich für die süd- und mittelamerikanischen Pflanzen, wenngleich hier wie auch bei den Tieren ohne Unterscheidung afrikanische Beispiele aufgenommen wurden. Es finden sich bei den Pflanzen u.a. Zuckerrohr, Ingwer und Kokosnuss, bei den Tieren sind es etwa Elefant, Krokodil und Tukan sowie etliche Fische. Ebenso ist die Beschreibung einer Hängematte enthalten. Ähnlich wie die Angaben zum Itinerar seiner Reise auf der Iberischen Halbinsel, ist bei den Angaben zu Pflanzen und Tieren davon auszugehen, dass Bernhard von Miltitz diese Informationen aus anderen Werken in seine Reiseaufzeichnungen übernommen hat, was eine durchaus übliche Praxis war.[8] Erstaunlich ist hier nur der Umstand, dass sie Eingang in die Leichenpredigt gefunden haben, was sich für andere Texte in dieser Form bisher nicht nachweisen ließ.

 

Dr. HOLGER KÜRBIS ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für neuere allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit des Historischen Seminars der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

 

Bestand: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
Signatur: Ee 710-192

 

Anmerkungen:

[1] Vgl. Ralf Berg, Leichenpredigten und Bildungsverhalten. Einige Aspekte des Bildungsverhaltens ausgewählter sozialer Gruppen, in: Rudolf Lenz (Hg.), Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 3, Marburg 1984, S. 139-162; Holger Kürbis, Kavalierstouren des brandenburgisch-preußischen Adels (1550-1750). Quantitative Überlegungen, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 61 (2010), S. 60-82.

[2] Johann Dürr, Decennium Memorabile. Das ist/ Gründliche beschreibung/ der Weitleuftigen/ vnd zu Land vnd Wasser gefehrlichen Reisen/ durch Europam, Africam vnd Americam: dabey etlicher schöner Insulen/ Städte/ Thiere/ vnd herrlicher Früchte/ auch was domals anderweit denckwürdig vorgelauffen ist/ sonderlich gedacht wird. Mit vorgehend gehaltener Christlichen Leichpredigt/ vber den Spruch/Johan. II. Ich bin die Aufferstehung und das Leben. &c. Bey bestattung/ des Weyland WolEdlen Gestrengen/ Ehrnvesten vnd Mannhafften/ Bernhard von Miltitz/ zu Pretzsch/Churfl. S. Durchl. verdienten Haupt- auch hiebevorn in frembden Landen wolversuchten vnd erfarnen Kriegsmannes. Welcher den 18. Tag Novembr. des abgewichenen 1626. Jahres/ [...] entschlaffen/ vnd folgents/ den 7. Decembr. [...] in die Kirche zu Pretzsch/ beygesetzet worden ist [...]; Wittenberg 1628 (VD17 1:038031D), Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), URL: http://vd17.bibliothek.uni-halle.de/pict/2006/1:038031D/ (Zugriff: 08.05.2012).

[3] Ebd., Bl. M1r.

[4] Ebd., Bl. H2r.

[5] Erich Haring, Der Kriegszug des Fürsten Christian von Anhalt nach Frankreich im Jahre 1591, 2 Teile, Magdeburg 1910-1911.

[6] Patrick Villiers, Les corsaires du littoral. Dunkerque, Calais, Boulogne. De Philippe II à Louis XIV (1568-1713), Villeneuve d'Ascq 2000, S. 19-38.

[7] Nicholas A. M. Rodger, The Safeguard of the Sea. A Naval History of Britain 660-1649, London 2004, S. 201f.

[8] Vgl. allgemein zu dieser Praxis Holger Kürbis, Hispania descripta. Von der Reise zum Bericht. Deutschsprachige Reiseberichte des 16. und 17. Jahrhunderts über Spanien. Ein Beitrag zur Struktur und Funktion der frühneuzeitlichen Reiseliteratur, Frankfurt (Main) u.a. 2004, S. 273-284.

 

Zitierweise: Holger Kürbis, Bernhard von Miltitz (1570-1626). Um die halbe Welt, in: Leben in Leichenpredigten 06/2012, hg. von der Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, Online-Ausgabe: <http://www.personalschriften.de/leichenpredigten/artikelserien/artikelansicht/details/bernhard-von-miltitz-1570-1626.html>

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