Georg Ulrich von Beulwitz (1661–1723): Lebenslauf
Bibliographischer Nachweis:
Ludwig, Heinrich Christoph: Des Hochwohlgebohrnen Herrn ... Georg Ulrichs von Beulwitz ... Lebens=Lauff ..., Rudolstadt 1724, S. 35–53.
Jörg Witzel (Konzeption, Leitung und Korrektur), Christoph Althen (Texterfassung und -erschließung)
© Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, 2012
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Titelblatt

Des
Hochwohlgebohrnen Herrn/
HERRN
Georg Ulrichs
von Beulwitz/
Auf
Löhma und Munschwitz Erb=
und
Gerichts=Herrn/
Hoch=Fürstlich=Schwartzb. Geheimden Raths/ Cantzlars
und
Consistorial-Praesidentens zu Rudolstadt/
Christ=löblicher Lebens=Lauff/
Und darauf unter einer standhafften und erbaulichen
Vorbereitung
erfolgtes seeliges Absterben/
Samt denen
nachhero gehaltenen
Funeralien
und
Adelichem Leich=Begängniß/
in öffentlichen Druck gegeben
Anno Christi 1724.
Rudolstadt/
Gedruckt bey Johann
Heinrich
Löwen/ Fürstl. Schwartzb. Hof=Buchdrucker.
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ES kan wol keine edlere und bessere Be=
trachtung in diesem Leben
vorgenom=
men werden/ als wenn man das En=
de desselben
sorgfältig zu Hertzen
nimmt/ und zu solchem Behuff im=
merfort mit
einem Auge auf den ge=
wiß erfolgenden Tod vor sich/ mit dem
andern
aber auf die im Leben em=
pfangene unzehlige Göttliche Wohlthaten zurücke
siehet. In die=
ser Absicht bereite ich mich täglich zu derjenigen Stunde/
die die
Heyden vor das allerschrecklichste/ die wahren und rechtschaffe=
ne Christen aber/ wegen der Hoffnung/ die sie haben/ mit ihrem
Heylande sich bald vereiniget zu sehen/ vor eine angenehme Auf=
lösung
halten. Und damit die Meinigen des allmächtigen
GOttes unendliche Wohlthaten/ Gnade
und Vorsorge/ deren
er mich in diesem Leben gewürdiget/ und deren ich ebenfalls
täg=
lich mit kindlichem und hertzlichem Dancke mich erinnere/ nach
meinem Absterben mit mir preisen können; so habe ich die Be=
schreibung
meines Lebens=Lauffes ihnen selbsten zu hinterlassen
vor gut und nöthig erachtet. Die
erste Göttliche Wohlthat ist
die Geburth. Und diese Wohlthat hat ihre gradus.
Lässet
uns GOTT von Christlichen und tugendhafften auch bey der
Welt
wohlangesehenen Eltern gebohren werden/ so haben wir ihm
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um so mehr zu dancken Ursache. Der Adel/ den
wir von unsern
Eltern und Vorfahren haben/ soll auch bey uns die Begierde
und
den Eyfer erwecken/ daß wir uns durch eine beständige Tu=
gend=Folge
fernerweit zu distinguiren bemühet leben/ ausser
welcher Tugend=Folge ich diejenige/
die ihre zeitliche Glückseelig=
keit allein in der Reputation ihrer
Vorfahren suchen/ niema=
len des Adels würdig gehalten. So viel meine
Familie betrifft/
ist es keine Eitelkeit, wenn ich mich zu behaupten unterstehe/
daß
sie eine mit von denen ältisten sey/ die in denen Schwartzburgi=
schen Landen seßhafft gewesen. Ich habe mich möglichster mas=
sen bemühet/
eine oder andere hierunter etwan diensame Nach=
richten zusammen zu
bringen/ und so viel befunden/ daß meine
Vorfahren sich von Bülewitz/ von einem
gewissen Dorffe dieses
Nahmens/ wie dergleichen Benennung denen ältisten
Adelichen
Familien von denenjenigen Orten/ wo sie gesessen und ihre Ge=
richte gehabt/ gemein gewesen/ in denen ältern Zeiten sich ge=
schrieben. Und dieses Dorff Bülewitz hat/ besage
derer alten
Diplomatum, einer/ Nahmens Günther/ der
eiserne genannt/
innen gehabt/ und von dem hohen Hause Schwartzburg zu
Le=
hen recognosciret. In denen folgenden Zeiten haben sie sich
von
Beulwitz genennet/ und ist diese Familie in die Schwartz=
burgische und
Voigtländische/ unter der Posterität Dietrichs
von
Beulwitz getheilet worden/ wiewol diese damahlige Voigt=
ländische von Beulwitz nichts destoweniger in communion
derer Lehnschafften/
sonderlich zu Eichicht/ Blanckenburg etc. ge=
blieben/ biß von des
Schwartzburgischen Heinrichs von Beul=
witz Posterität einige nacher Hertzberg gekommen/ und daselb=
sten eine andere
Voigtländische Familie fortgesetzet worden.
Ein mehrers habe ich von dieser Sache in
einem umständlichen
Aufsatz und einer genealogischen Tabelle zusammen tragen
lassen/ zu deren Verbesserung ich iezuweilen noch das nöthige
zu handen bekomme. Ich
selbst bin Anno 1661. den 22. Sept.
st.
vet. zu Löhma gebohren worden.
Mein seeliger Vater ist ge=
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wesen/ Herr Georg
Friedrich von Beulwitz/ auf Eichicht und
Löhma, meine Mutter/ Frau Christina Sibylla/ gebohrne von
Stein; mein Groß=Vater vom
Vater/ Herr Hans Wilhelm
von Beulwitz/ auf
Eichicht und Burg=Lemnitz/ und die Groß=
Mutter vom Vater/ Frau
Maria Magdalena, gebohrne von
Watzdorff/ aus dem Hause
Christendorff. Der Groß=Vater
von der Mutter/ Herr Hans Veit von Stein/ auf Neidenber=
ga. Die Groß=Mutter von der Mutter, Frau
Christina/ ge=
bohrne von Brandenstein/
aus dem Hause Colba. Der erste
Uhr=Groß=Vater/ väterlicher Linie/ Herr
Hartmann Die=
trich von
Beulwitz/ auf Eichicht. Die erste
Uhr=Groß=Mutter/
Frau Magdalena/ gebohrne Marschalckin/
vom Hause Ebenath
in Francken bey Kützing. Der andere Uhr=Groß=Vater/
vä=
terlicher Linie/ Herr Balthasar von
Watzdorff/ aus dem Hause
Christendorff. Die andere Uhr=Groß=Mutter/ Frau
Sibyl=
la/ gebohrne von Feilitsch/ aus dem
Hause Heinrichs=Grün.
Der erste Uhr=Groß=Vater/ mütterlicher Linie/ Herr
Veit
von Stein auf Neidenberga. Die erste Uhr=Groß=Mutter/
Frau Ursula/ gebohrne von Würtzburg. Der andere Uhr=
Groß=Vater in dieser Linie/ Herr Isaac von
Brandenstein/
auf Colba. Die
andere Uhr=Groß=Mutter/ Frau Anna/ ge=
bohrne von Breitenbach.
Meine liebgewesene Eltern haben billich nach meiner leibli=
chen Geburth
ihre erste Sorge auf das Bad der heil. Wiederge=
burth gerichtet/ wohin
ich denn durch GOttes Gnade den folgen=
den Tag darauf befördert worden: Und ist mein Tauff=Pathe
gewesen/ Herr Veit Ulrich von Beulwitz/ auf
Munschwitz/ etc.
HErr/ der du hältest
den Bund und Barmhertzig=
keit/ laß mich dieses Gnaden=Bundes zu
meinem
höchsten Trost immerfort und ohne ausgesetzt einge=
denck
bleiben/ und daß ich sey von Israel nach dem
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Geiste/ welchen gehöret die Kindschafft und
die Herr=
lichkeit/ und der Bund und das Gesetz/ und der Got=
tesdienst und die Verheissung! So balden ich meiner Jahre
wegen dazu
fähig gewesen/ haben mehr ermeldte meine Eltern
mich in dem Christenthum/ auch in der
Lateinischen Sprache/
und sonsten durch verschiedene geschickte und treue und
fleißige Prae-
ceptores nach und nach unterweisen lassen/ und wie mein
seel.
ältester Bruder/ Johann Friedrich von
Beulwitz/ an Alter nicht
mehr als ein Jahr von mir unterschieden
gewesen; so habe ich
auch mit demselbigen einerley Erziehung und einerley Informa-
tion zu geniessen/ auch das beständige Vergnügen gehabt, biß an
sein
seeliges Ende, so zu Jena auf der Universität in
Ann. 1681.
erfolget/ um und bey ihm zu seyn.
Sein guter aufgeweckter Geist/ die Capacität/ die er sich
durch einen gar besondern
Fleiß und Application erworben/ ha=
ben auch mich jedesmahlen
aufgemuntert/ einem so löblichen Ex=
empel zu folgen/ und da wir allhier
zu Rudolstadt auf der Land=
Schule unter dem damahligen Rectore Herr Mag.
Schwim=
mern und Con-Rectore Herrn Treunern/ so wohl bey öffentli=
chen und
Privat-Lectionen/ als auch zu Hause auf Unsern
Studier=Stuben Unsere Zeit meistens
mit Studieren zugebracht/
so hat man im Jahr 1678. mich tüchtig erachtet/ daß ich nebst ge=
dachtem meinem Bruder auf Universitäten mich begeben/ und
numehro
höhere Studia ergreiffen könnte. Es wurde die Uni-
versität Leipzig hiezu ausgesehen/ und Unser beyder
Brüder In-
tention war jedesmahlen schlechterdings dahin gerichtet/
daß
Wir so wohl in iure civili/ als auch in iure publico was
rechtschaffenes
erlernen und alle Unsere Zeit denen Studiis wid=
men wollten. Wir fingen
aber von dem Iure naturae an/ wo=
zu Wir bey dem in der Welt sattsam
bekannten Herrn Profes-
sore
Alberti zu Leipzig die
vortrefflichste Gelegenheit hatten.
Dabey Wir auch nicht weniger in der Philosophie
und Mora-
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le avanciret/ und mit dem ietzigen Ordinario
zu gedachtem
Leipzig/ Herrn Dr.
Lüder Mencken/ unter welchem mein Bruder
eine disputation, de
Homicidiis, quae imputantur & c.
öffentlich gehalten/ in besondere Bekanntschafft
und Ubung gekom=
men. Ich erinnere mich dieser Zeit noch immer mit
vielerley
Vergnügen/ dergleichen ich ohne diß niemahlen in etwas anders
als in
unermüdeter Beobachtung meines Beruffs gesuchet. Ich
dancke auch meinem GOtt/ daß er
mich bey jüngern Jahren in
solche Versuchungen/ denen müßige Leute täglich
exponiret
sind/ nicht kommen lassen/ wiewolen ich dieses nicht zu meinem
Ruhm/
sondern denen Meinigen und andern zur Nachfolge/ auch
zur Lehre schreibe/ daß ich das
Principum: daß man dem Sa=
tan durch den Müßiggang keinen Raum machen
solle/ an uns
zu kommen/ zu keiner Zeit unrichtig befunden. Ich und mein
seeliger Bruder würden Uns in Leipzig länger aufgehalten/ und
Unsere Studia daselbst weiter
fortgesetzet haben/ wenn Wir nicht
wegen der leidigen Contagion von Unsern Eltern
nacher Hau=
se beruffen worden/ allwo Wir gleichwol nicht allzulange
geblie=
ben/ sondern nach Abfluß eines halben Jahres und wiederum na=
cher JENA begeben.
Unsere Stube und Unsern Tisch
nahmen Wir bey dem Professore, Herrn Peter Müllern/ wel=
cher Uns auch Collegia
privatissima gelesen. Allhier wurde
ich von meinem Bruder und Er von mir getrieben/
also/ daß kein
Tag/ ja wenig Stunden sine Linea vorbey gegangen. Wir
nahmen Uns
vor eine gewisse Materia aus dem Iure publico:
De Statibus Europaeis, in 17.
dissertationen/ mit einander
auszuarbeiten/ und solche wechselsweise publice zu
ventiliren;
alleine es wurde dieser gute Vorsatz durch meines Bruders nur
leider! allzufrühes Absterben den 24. April.
1681. unterbrochen.
Dieser Todes=Fall ist mir um so schmertzlicher und
empfindlicher
gewesen/ als ich dadurch nicht alleine eines Freundes und Bru=
ders/ deme ich vollkömmlich/ und Er mir wiederum solchergestalt
ergeben war/ sondern auch eines getreuen Commilitonis, wel=
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cher einerley Absicht/ einerley Fleiß und
einerley Trieb mit mir
hatte/ und mir täglich mit seinem Exempel vorgienge/ verlu=
stig geworden. Nachdem ich vor seine Beerdigung und übrige
gewöhnliche
Solennitäten gesorget/ habe ich meine Studia fort=
gesetzet/ und biß in
ann. 1682. zu
Jena damit continuiret/
auch
in Sprachen und Exercitiis mich geübet; Worauf ich/ um den
Process zu erlernen/
mich einige Zeit nacher Merseburg
begeben/
und alldorten der Anweisung eines in gar besonderm aestim ste=
henden ICti und Practici bedienet; hiernächst aber mit einigen
meiner Freunde zu
Leutenberg und Colba/ auch in meines Va=
ters Hause zu Löhma/ meine Studia
Academica privatim
zu wiederhohlen/ theils auch zu gedachten Leutenberg eine und
andere Acta
iudicialia einzusehen/ Gelegenheit genommen.
Denn meine Meynung gar nicht war/ bey
meinen nachhero er=
langten Aemtern/ auf andere Augen und Federn mich zu
verlas=
sen/ sondern vielmehr die meinige zu gebrauchen/ um andern
zu
helffen/ und meinem Beruff/ der Justitz und iedermänniglich
ein völliges
Gnügen leisten zu können. Als ich nun vermeynet/
mich in Studiis genugsam feste
gesetzt zu haben/ that mir mein
seeliger Herr Vater allen möglichsten Vorschub zur
Reise nacher
Franckreich. welche ich den 2. Iun. 1684. angetreten. Ich gieng
mit meinen Herrn
Reise=Compagnons über Franckfurth/
Worms und Speyer nacher Straßburg/ woselbsten ich/ als Wir
alles
Sehens=würdige in Augenschein genommen/ den Schluß ge=
fasset/ über
Brisag/ Basel/ Solothurn und Bern/ meine Reise
zu prosequiren/ gestalten ich denn den 14. Iul. zu Genev ange=
langet. Weilen ich nun das Glücke
hatte/ des Herren Hertzog
Moritzens zu
Sachsen=Zeitz [1] Weyland Hoch=Fürstl. Durchl. nebst
Dero Suite daselbst anzutreffen/ und
Dero besonderen Gnade ge=
würdiget zu werden/ so habe ich nicht alleine
bis zu Dero Abreise/
sondern auch noch einige Zeit darnach über die 3. Monate mich
da=
selbsten aufgehalten/ und in Studiis, Sprachen und Exercitiis
mich so viel möglich geübet. Ich wünschte aber gleichwohl noch vor
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Winters Paris zu sehen/ und setzete daher mit meinen Herrn Com-
pagnons die Reise durch das Savoyardische/ Dauphinesische
nacher
Rouenne, theils zu Lande,
theils zu Wasser fort/ gieng
von dannen auf der Loire zu Schiffe/ und nacher
Orleans, allwo
ich meine
Intention, um gerade nacher Paris
zu gehen, auf Anrath
eines Cavaliers, Mons. Major
Villard genannt/ geändert/ und
mit demselben auf St. Denis, und ferner nach den
Königlichen
Jagd=Hause Chambord, allwo der Königliche Hof sich dama=
len befunden/
abgereiset/ von dannen ich/ nachdeme wir den König/
den Dauphin, und den Hof/ auch
das Königliche Schloß gesehen/
zu Schiffe nacher Blois und Amboise kommen/ in welchem letz=
tern Ort ich das Schloß/
so Franciscus der I. soll erbauet haben/
und
darinnen viele Antiquitäten anzutreffen/ mir zeigen lassen.
Der erstere Ort/ welcher
nunmehro auf der Reise wieder vorkom=
men/ war Tour, von wannen ich ferner nacher Paris gehen wol=
te;
alleine nachdem ich eine gute Gelegenheit in der Sprache und
Exercitiis zu profitiren
daselbsten gefunden/ so habe ich mir ge=
fallen lassen/ zwey gantzer
Monate und zwar vom 3. Octobr.
biß
den 9. Decembr. mich alldorten aufzuhalten. Nunmehro aber
wolte ich
nicht länger Anstand nehmen/ dem Zwecke meiner Rei=
se/ Paris zu sehen/ und daselbst in allen
guten Wissenschafften
mich zu üben/ näher zu kommen/ weshalb ich denn an gedachtem
9. Decembr. von Tour, nachdeme ich alle in selbiger Gegend
liegende Oerter in
Augenschein genommen/ mit meinen Herren
Cameraden, die Reise wieder angetreten; bin
also wieder zurück
über Amboise, Blois und
Orleans gegangen/ und den 15. Dec.
in Paris angekommen/ daselbst habe ich mich bey meinem fast
halbjährigen Uffenthalt derer
besten Maitres bedient/ auch kei=
ne Gelegenheit vorbey gelassen/ in den
Gesellschafften honetter
und gelehrter Leute mich zu befinden. Wie ich denn auch
nicht
verabsäumet/ alle in der Gegend Paris liegende Palais, Lust=
Schlösser und
Merckwürdigkeiten anzusehen. Zu dieser Zeit gescha=
he der Einzug des Doge
di Venetia, und der Einzug des Mos-
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cowitischen Ambassadeurs wurde ebenfalls vor
was beson=
ders gehalten. Den 4. Iunii
1685. trat ich meine Zurück=Reise
durch die Normandie an/ hielte mich einige Tage in Rouen
auf/ und gieng so weiter über
See/ Havre de grace vorbey/
na=
cher Amsterdam/ woselbst ich den 27.
Iunii glücklich angekom=
men/ von dar nacher Harlem/ Leyden/ Haag
und Mastrich ab=
gegangen/ und nachhero auf dem Rhein über Acken, Cölln, Trier
und Franckfurth meine Reise
fortgesetzet/ endlich aber im Se-
ptembr. 1685. bey denen Meinigen durch GOttes
Gnade glück=
lich wieder angelanget. Ich war eben so lange nicht zu
Hause/
als Ihro Hoch=Gräfliche Gnaden Herr Graf Johann
Georg von
Mannsfeld/ nunmehro hochseel. Gedächtnüß/ mir Dero Dien=
ste antragen liessen/ und mich auch zu Arthern den 17.
Martii
Anno 1686. Anfangs zum Hof=Meister über den jungen Herrn
Grafen Johann Christian von Solms/ welcher als ein
naher An=
verwandter an Dero Hofe erzogen wurde/ bestelleten/
annebenst
aber in Abwesenheit des Ober=Hof=Meisters die Aufsicht über den
Hof zu
führen anbefohlen/ bald aber darauf/ und zwar den 23.
Novembr. gedachten 1686. Jahres/ zu Dero Hof= und Justi-
tien=Consistorial- und Berg=Rathe angenommen/ und bey der
Gemeinschafftlichen
Regierung und Consistorio in Eißleben
meine ordentliche Verrichtungen mir angewiesen; Wiewol
die=
se Mannsfeldische Bestallung von meines domahligen gnädig=
sten Lehen= und Landes=Herrns/ Herrn Graf
Albrecht Anthons
zu Schwartzburg Hoch=Gräfl. Gnaden/ mir ander Gestalt
an=
zunehmen nicht erlaubet/ auch solches von Ihro Hoch=Gräflichen
Gnaden gegen hochgedachten Herrn Graf Johann
Georgen selb=
sten declariret wurde/ daß/ so balden Dieselbe
sich meiner we=
nigen Dienste zu gebrauchen nöthig finden möchten/ ich
denen
Schwartzburgischen Beruffungen zu folgen/ und des Herrn Gra=
fens von Mannsfeld Hoch=Gräfl. Gnaden mich
zurück zu lassen
verbunden seyn sollten. Solcher Gestalt nun habe ich von Anno
1686. biß 1692. dem Hause Mannsfeld hoffentlich redlich
und mit
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aller von einem ehrlichen Mann und Cavalier
zu erwartenden
Droiture, Sorgfalt und Vorsicht gedienet. Wer nur einigen
Vorschmack hat von der Situation dieses Hoch=Gräfl. nunmeh=
ro aber auch
Fürstl. Hauses/ und von dem Nexu, darinn das=
selbige in denen uhralten
Zeiten mit höhern Mächten verwickelt
worden/ der wird auch urtheilen können/ wie
vielerley Arbeit
und Circumspection aller Orten/ auch öffters bey denen ge=
ringsten Sachen/ erfordert wird/ wenn man sein Gewissen sal-
viren/ seiner Herrschafft treu und rechtschaffen dienen/ und gleich=
wol Diese vor solchen collisionen/ welche denen schwächern Häu=
sern zu
allen Zeiten fatal gewesen/ und darüber selbige leichtlich gar
zu Grunde gehen/ und
alles verliehren können/ bewahren helffen
will. Meine damalige Hoch=Gräfl.
Herrschafft bezeugete über
meine treue Dienste ein solches gnädiges Vergnügen/ daß
Sie auch
nachhero/ als ich selbige aufgeben muste/ von der mir zutragenden
Gnade
gar vielerley hohe Proben zu meiner unterthänigen Danck=
nehmigkeit
gegeben/ wie Sie mich denn/ als ich in ann. 1692. von
hochgedachten Herrn Graf Albrecht Anthons
Hoch=Gräfl. Gna=
den zu Dero Cantzley=Director zu Franckenhausen bestellet wur=
de/ mit Sr. Hoch=Gräfl. Gnad. Erlaubniß/ so viel als ohne Abbruch
meiner anderweitigen Verrichtungen geschehen können/ gleichwol
ferner a consiliis
behalten/ und das Directorium bey Dero Se-
niorat-Cantzley zu continuiren/
vermocht haben. Währender
dieser Zeit habe ich mich mit meiner ietzigen Ehe=Liebsten/ Frauen
Marthen Catharinen/ Herrn Hans Otten von Brandenstein
mittlern Tochter/ nach vorherigem
Gebet zu GOtt in ein Christlich
Ehe=Gelöbniß eingelassen/ auch selbiges den 4. Ian. 1691. durch Prie=
sterliche Copulation zu Colba
vollenzogen. Dem grundgütigen
GOtt kan ich vor diejenigen Wohlthaten/ welche er mir
in diesem
meinem Ehestande durch eine beständige und ununterbrochene Zu=
friedenheit/ durch mancherley Seegen im Hauß=Wesen/ durch Gött=
lichen Beystand in Creutz und Kranckheit/ durch eine wohlgerathe=
ne Erziehung meiner aus sothanem Ehestande erziehleten Kinder
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angedeyehen lassen/ nimmermehr genugsamlich
dancken. Er lasse
sich nach seiner Göttlichen Barmhertzigkeit uns alle mit
einander
zu seiner heiligen Vorsorge fernerweit anbefohlen seyn/ die Kinder
aber
des Seegens des 4ten Geboths und des Seegens ihrer El=
tern/ wie ich denn
den Meinigen einem ieden/ also sammt und
sonders von Hertzen beylege/ sie auch
selbigen durch alle gute
kindliche Bezeugung von mir wohl verdienet haben/
reichlichen ge=
niessen! Mein erster Sohn ist der ietzige Fürstl.
Schwartzburgi=
sche Vice-Cantzler zu Franckenhausen/ Anthon Friedrich von
Beulwitz/ von deme ich durch Göttliche Gnade zwey Söhne/
als meine
lieben Enckel/ nahmentlich Johann Friedrich und
Wil=
helm Friedrich/ erlebet;
Meinen andern Sohn/ Hanß Friedri=
chen/ hat der allmächtige GOtt vorlängsten wieder zu sich genom=
men; Die darauf folgende ältiste Tochter ist Christina Dorothea/
des hiesigen Fürstl. Reise=Stallmeisters/ Herrn
von Beulwitz/
Ehe=Liebste; Die andere
Tochter/ Sophia Helena/ die dritte Jo=
hanna Friedrica/ der dritte Sohn/ der
Fürstl. Schwartzburgische
Amts=Hauptmann derer beyden Aemter Leutenberg und Kö=
nitz/ Hanß Georg von Beulwitz/ die
vierdte Tochter/ Maria
Catharina/ und der
letztere Sohn Anthon Heinrich/ so ebenfalls
nach Göttlichem Willen bald nach seiner Geburt mir in die Ewig=
keit
vorgegangen. So viel nun meine hiesige Dienste betrifft/ bin
ich/ wie obgedacht/ in
an. 1692. zum
Cantzley=Director nach
Franckenhausen bestellet worden.
Der damalige Zustand der Un=
terherrschafftlichen Landes=Portion hat mir
manchen Kummer
und manche Schlaff=lose Nacht gemachet; GOtt aber hat Gnade
gegeben/ daß eine Beschwerlichkeit nach der andern überstanden
worden. Ich achte vor
unnöthig/ dieser kurtzen Beschreibung der=
gleichen Dinge zu inseriren/
die ich noch wohl als einen oder an=
dern kleinen Verdienst gegen das
hiesige Hoch=Fürstl. Hauß von
Anfang meiner Dienste her anführen könte; Meine
gnädig=
ste Herrschafft munterte mich durch gar viele besondere
Gnaden=
Bezeugungen in meiner Devotion und Eyfer dergestalt auf/
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daß ich mich jedesmahl gerne sacrificiret
haben würde/ wenn nur
durch meine Consilia, Bemühung und Strapazzen Derselbigen
was gutes und ersprießliches verschaffet werden können. Ich ha=
be aber
auch nebst deme bey meiner blutsauren Arbeit nicht unter=
lassen/ auch
meinem Nächsten/ so viel nur immer möglich gewe=
sen/ zu dienen;
allermassen ich nicht alleine zu Franckenhausen/
sondern auch hier/ theils einigen von Adel/ theils
auch andern al=
len Vorschub zu Erlangung mehrerer Capacität und zu
Beför=
derung ihrer Studiorum gethan/ worbey ich mich zu gar vielen
mahlen selbsten mit zu einer und andern Anweiß= und Unterrich=
tung
angewendet. Vielleicht werden diejenige/ die ietzo um und
neben mir sind/ mir das
Zeugniß geben/ daß ich ihnen meine Wohl=
meynung auf dergleichen Art
sattsamlich zu erkennen gegeben/ und
zu ihrer Verbesserung/ auch etwan erlangter
Geschicklichkeit ein
und anderes beygetragen. Nach Absterben des Herrn Cantzler
Fritzschens trugen hochgedachte meines
hochseel. Herrns Hoch=
Gräfl. Gnaden mir das Cancellariat allhier
selbsten an/ wel=
ches ich auch in an. 1702. angenommen/ und mit meiner
Familie
mich hieher nacher Rudolstadt transportiret. Diese Dienste
sind in an.
1710. durch den hohen Todes=Fall dieses Christlichen/
liebreichen/ gerechten
und genereusen Herrns dissolviret/ bey
des letzt hochseeligst verstorbenen Fürstens/
meines auch im Leben
gnädigst gewesenen Herrns Hoch=Fürstl. Durchl. aber
inzwischen
währender Unpäßlichkeit Dero Herrn Vaters/ welche von Anno
1707. biß 1710. bekannter maßen gedauret/ der Anfang zu
der nach=
hero erfolgten Continuation sothaner Dienste gemachet
worden.
Mein Bestallungs=Brief wird ausweisen/ was des Hochseelig=
sten Fürstens Durchl. sonderlich nach der Zeit/ da Sie mich in
an. 1713. zu Dero
Geheimden Rath ernennet/ dergleichen Bestal=
lung auch von meines ietzo/
GOtt geben lange und mit vielem See=
gen! regierenden gnädigsten Herrns
Durchl. nach Dero Hochseelig=
sten Herrn Vaters Absterben in an. 1718. mir ausgefertiget wor=
den/ mir nach und
nach aufgebürdet: Und da ich binnen obgemel=
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deter Zeit das Unglück gehabt/ meine
gnädigste Herrschafft in so
vielerley Bewegungen und Differentien von allen Orten
her
mit denen mächtigsten Häusern verwickelt zu sehen/ gleichwol aber
nicht
alleine Derselbigen Iura hoffentlich genugsam beobachtet/
sondern auch noch
verschiedene wichtige Dinge nach der erlangten
Fürstl. Dignität zum Stande gebracht/
meine ordentliche Ver=
richtungen aber ohnausgesetzt besorget worden; so
wird ein jeder/
ohne daß ich selbsten davon etwas umständlicher anzeige/ von mei=
ner treuen und redlichen Intention gegen das gantze Fürstliche
Hauß/
und ins besondere gegen meine gnädigste Herschafft/ und
von meiner unermüdeten
Vorsorge/ auch Nacht und Tages con-
tinuirter Arbeit urtheilen können. Dem
allmächtigen GOtt
sey ebenfalls inbrünstiger Danck gesaget/ der bey allen diesen
über
die Masse angewachsenen Bemühungen Kräffte gegeben/ auch bey
meiner
gnädigsten Herrschafft ein solches gutes Angedencken vor
obgedachte meine treue
Dienste gewürcket/ daß Sie mir durch gar
vielerley gnädige schrifft= und mündliche
Contestationes den
Muth gemachet/ in dergleichen schweren Occupationen/ dabey
man öffters keiner geringen Gefahr exponiret gewesen/ bestän=
dig
auszuhalten. Und solchergestalt habe ich meine Lebens=Zeit
biß hieher unter stetiger
Arbeit und Sorge gebracht. Der vor
weniger Zeit erfolgete Todes=Fall meiner
liebgewesenen eintzigen
Schwester/ Frauen Marien
Christinen von Dobeneck/ hat mein
Gemüthe in gantz besondern Kummer
gesetzet/ alldieweilen ich
selbige sehr geliebet; wie ich denn auch billig derjenigen
Liebe und
Freundschafft/ die ich von meinem noch am Leben seyenden Bru=
der/ dem Fürstl. Schwartzburgischen Ober=Forstmeister/ Herrn
Veit Christian von Beulwitz/ zu meiner grösten
Vergnügung
genossen/ mich in gebührender Dancknehmigkeit erinnere.
So weit gehet der Auffsatz/ den uns der Herr Geheimde Rath zurücke
gelassen. Wie
aber der Beschluß von allen Menschen ist: Und er starb!
welchen Beschluß andere
erstlich beyzubringen haben; also müssen wir leider!
ietzo diesen Abgang suppliren/
dabey aber dem seel. Herrn Geheimden Rath
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die Justitz thun zu bekennen/ daß dieses sein
Absterben auf eine ausserordent=
lich=beständige Art mit vollkommener
Vernunfft und gäntzlicher resignation
in den Göttlichen Willen geschehen. Der Tod hat
Ihn nicht übereilet/ son=
dern er ist von dem Herrn Geheimden Rath/ wie
aus Seinem vorstehenden
Lebens=Lauff auch selbsten zur Gnüge erhellet/ mit stetiger
guter Betrachtung
von einiger Zeit her bereits täglich erwartet worden. Seine Natur
ist nie=
mahls die stärckeste/ sondern mancherley Anfällen/ vornehmlich
bey abwech=
selnden Witterungen unterworffen gewesen/ worbey er sich
gleichwol durch
GOTTES Gnade und den zeitigen Gebrauch diensamer Medicamenten/
hauptsächlich aber durch eine genaue und richtige Diaet, deren Er sich von Ju=
gend an/ nebst der Ordnung in allen seinen Sachen/ und einer zu jetzigen
Zei=
ten nicht leicht anzutreffenden Mässigkeit beflissen/ von einer
Zeit zur andern
conserviret. Er pflegte zu sagen: Daß er niemahls etwas thue/ so
ihme
schaden könte/ es wäre denn die Sorge/ die ihme Nachts und Tages im Ge=
müthe läge. Man hat gleichwol ein paar Jahre her mercklich wahrnehmen
können/ daß die Natur nach und nach abnähme. Es äusserte sich iezuweilen
ein starcker
Schwindel/ welcher den Herrn Geheimden Rath in die Beysor=
ge setzete/ daß
GOTT einen Schlag=Fluß über ihn verhängen möchte/ wes=
sentwegen Er
immerfort auf seiner Hut und zu seiner Auflösung gefaßt war.
Nächst diesem fande sich
eine Schwäche in denen äusserlichn Gliedmassen/
sonderlich denen Schenckeln/ also/
daß er nicht anders/ als mit grosser Be=
schwerlichkeit/ lange zu stehen
oder fortzugehen vermochte. Und bey diesem
hat Er öffters auch einige arthritische
Schmertzen/ sowol in denen Händen
als an denen Füssen/ verspühret. Seit dem Ausgange
des vorigen Jahres
hat sich obbemeldete Schwäche dergestalt vergrössert/ daß der Herr
Geheim=
de Rath sich meistentheils zu Hause halten/ und seinen
ordentlichen Verrich=
tungen/ sonderlich bey der Regierung und dem
Consistorio, entziehen müs=
sen. Am
21. Maii dieses Jahres ließ derselbige den hiesigen Pastorem, Herrn
Elias Sommern/ als seinen Beicht=Vater/ zu sich
erfordern/ und gab so=
gleich selbsten in einem weitläufftigen geistlichen
und gantz Theologischen Di-
scurs zu erkennen/ wie Er wegen anhangender
Leibes=Schwachheit bißhero
seine Amts= und weltliche Geschäffte zum Theil nicht
besorgen können/ aber
eben dabey um desto mehr Gelegenheit gewonnen und gefunden/
seine Seele
zu bedencken/ und vor seinem lieben GOtt sich zu prüfen. Auf diese
Weise
habe Er befunden/ daß Er sich in seinem Amt und Wandel vor groben Sün=
den/ Schanden und Lastern gehütet hätte/ gleichwol wehmüthig
erkennete/
wie Er um dessentwillen vor GOTT nicht gerechtfertiget sey/ trüge
auch
an sich die leidige Erb=Sünde/ die als ein unruhiger böser Saame (wie sei=
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ne eigene Worte waren) auch in mir nicht
feyert: Ich habe um mich die böse
Welt/ den Satan und argen Menschen=Feind/ in mir
auch mein eigenes
Fleisch und Blut/ welches schwach/ zum Unrecht und Sünde geneigt/
nicht
allemahl alles bedencket oder erkennet/ was meines lieben GOTTES Wil=
le ist/ daß ich daher mich/ wie wegen anderer/ also auch der Sünden
aus
Schwachheit/ Unbedachtsamkeit/ Ubereilung gar nicht frey/ sondern aller=
dings vor GOTT sträfflich weiß. Was die innerlichen Sünden/ Haß/
Neid/
Zorn/ Feindschafft und dergleichen betrifft/ habe ich durch GOTTes
Gnade davor mich
fleißig gehütet/ und getrachtet/ mich derselben zu entschla=
gen.
Amts=Zorn und Eyfer/ wie solcher keine Sünde/ so sorge ich auch da=
vor
nicht/ wo ich aber mit bößartigen Gemüthern/ wie ich leider! in mei=
nem
Amte dieser der meisten vor mir gehabt/ zu weit gegangen seyn solte/ so
ist mir es
leid/ und bereue es vor GOTT. Meinen Feinden/ sie seyn klein
oder groß/ vergebe ich
insgesammt/ was sie mir und meiner Person entge=
gen gehandelt/von gantzem
Hertzen; was sie aber meinem Amte entgegen
gehandel/ überlasse ich GOTT/ seiner
Gerechtigkeit und der Obrigkeit.
Darauf ist erstlich die Confession und die
Anschickung zur Communion er=
folget. Man hat den gantzen Discurs, wie er
gefallen/ aus verschiedenen
bewegenden Ursachen hier beygefüget. Wie glücklich ist
derjenige/ der in der
Prüfung und in dem Befund dem seeligen Herrn Geheimden Rath
zu
kommen mit Wahrheit sich rühmen kan!
Am 1. Iulii wurde derselbige von einer bey
nahe tödtlichen Schwachheit
überfallen/ so/ daß jedermann vermuthete/ es würde
damahls gar aus wer=
den/ wie Er sich denn auch/ nachdem Er sowol den
Herrn General-Super-
int. Ludwigen/
als auch obgedachten Herrn Pastor Sommern zu sich
erbit=
ten lassen/ und sich mit dem hochwürdigen Abendmahl nochmahl
gestärcket/
zu seinem Ende gar standhafftig bereit machete/ auch aller Orten
bewegli=
chen Abschied nehmen liesse. Es war aber GOTTES Stunde
damahls
noch nicht gekommen/ sondern es erhohlete sich die Natur in etwas
wieder/
wiewol seit dieser Zeit sich weder der Appetit noch der ordentliche
Schlaff
wieder finden wolte/ dagegen sich an dem Gesichte und an denen
Schenckeln
eine Geschwulst vermercken ließ/ so hernachmahls von Zeiten zu Zeiten
stär=
cker geworden. An zulänglichen und kräfftigen Medicamentis ist
alles an=
gewendet worden/ was zu Erhaltung eines solchen Ministers nur
immer an=
geschaffet werden können/ wie denn nicht alleine der hiesige
Fürstliche Rath
und Leib=Medicus Herr Doctor
Cellarius, das seine rühmlich hierbey ge=
than/ sondern auch/
nach gepflogener Communication mit auswärtigen be=
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rühmten Männern/ gar viele kräfftige/
stärckende/ und sonst sehr bewährt=
befundene Hülffs=Mittel von Zeiten zu
Zeiten gebrauchet worden. Es gienge
aber unter stetigen Abwechselungen immer näher
zum Ende/ und der seelige
Herr Geheimde Rath hat seine meiste Zeit mit Ubung im
Gebeth/ mit Danck
und Lob gegen seinen GOTT zugebracht; wie Er denn auch derer
weltlichen
Verrichtungen sich um so mehr zu entschlagen/ ausser bey denen
publiquen
Angelegenheiten/ seine bißhero obgehabte Directoria, nach erlangter gnä=
digster Erlaubniß/ den 31.
Augusti völlig niedergeleget. Was bey denen
öffters inzwischen erfolgeten
Besuchungen derer Geistlichen auch anderer vor=
gekommen/ ist zu
weitläuftig anzuführen/ ob es gleich zu guter Erbauung
bey manchen vieles würcken
könnte. Den 13. Octobr. rückete endlich die Zeit
zum
letzten Abdruck heran/ welche sich frühe gegen 1. Uhren mit einer tödtli=
chen Bangigkeit des Hertzens/ wegen derer sich zu diesem letzten Sitze retiri-
renden Lebens=Geister/ einstellete. Er blieb aber einen Weg wie den
andern
bey seiner Standhafftigkeit des Gemüths/ und hat/ wiewol öffters mit
schwachen Worten/ sein Vertrauen zu seinem GOtt/ und sein Verlangen zu
einem seeligen
Ende auf eine solche Weise bezeuget/ daß die Anwesende solches
ohne äusserste
Empfindung nicht wohl anhören können. Eben diesen Tag
genosse Er das H. Abendmahl zum
letzten mahl/ legte auch seine Beichte mit
solchen Worten ab/ die da lediglich auf
seines Lebens Anfang und Ende ge=
richtet waren/ dabey Er denn beständig/
und ohne etwas zu versetzen/ mit sei=
nem GOtt gesprochen. Er hat hierauf
von gnädigster Herrschafft/ von de=
nen Collegiis, und von einigen ins
besondere Abschied nehmen lassen/ auch der=
gleichen bey seiner Gemahlin/
der ietzo äusserst=betrübten Frau Wittbe/ mit
was vor Bewegungen/ ist leicht zu
erachten/ selbst gethan/ und da Er schon
lange vorher sein Hauß mit gantz ungemeiner
Vorsorge bestellet/ auch alles/
was nur immer dahin gerechnet werden kan/
veranstaltet/ sich nunmehro le=
diglich seinem GOtt überlassen. Bey dem
am. 14. Octobr. erfolgeten Zuspruch
sowol des Herrn Raths und Leib=Medici, als auch mehrgedachten Herrn Pa-
stor Sommern/ ungefähr um 3. Uhr
Nachmittages/ declarirte Er gegen dem
ersten gar deutlich/ wie Er wohl wisse/ daß es
mit Ihm nun zu Ende gehe/ Er
sey allen Augenblicke bereit etc. Er that zugleich
Verordnung wegen Beschickung
seines hinterbleibenden Cörpers; und als man Ihm einige
Stärckung annoch
verordnet/ sagte Er: Ich will gar gerne folgen/ halten Sie mich aber
auch
nicht allzulange auf/ denn ich habe ein ander Geboth von GOTT/ daß ich
sterben soll. Mit dem Herrn Pastor Sommer hat Er
das Vater Unser mit
Faltung und Aufhebung der Hände hertzlich und eyferig gebethet/
seine in=
nigliche Andacht durch Entblössung des Hauptes und sonsten zu
erkennen ge=
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geben; und als Er zum letzten mahl
gesprochen: HERR JESU/ nimm
meinen Geist auf etc. inzwischen aber das Lied: Werther
Freund/ nun laß
dich finden etc. von denen Anwesenden abgesungen/ auch bey
herannahender
Todes=Angst mit kniend verrichtetem Gebeth continuiret/ der Herr
Geheim=
de Rath aber von dem Herrn Pastore eingeseegnet worden/ so
entschlieff
Er in seinem Erlöser sanfft und seelig Abends
gegen halb 6. Uhren/ nachdem
Er sein Leben gebracht auf 62. Jahr und II.
Tage.
1 Es kann sich hier nur um Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz handeln, da sein Vater Moritz bereits 1681 gestorben war.