Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Wie eine Leichenpredigt den Stein ins Rollen bringt

06.11.2012

Kategorie: Veranstaltungen

Abendvortrag im Rahmen des 5. Marburger Personalschriften-Symposions

Porträt des Nürnberger Pfarrers Johannes Saubert (1592-1646)

Der Blasenstein des Nürnberger Pfarrers Johann Saubert (1592-1646) stand als ein Gegenstand, der die Memoria der Leichenpredigt in anderer Form weiterführt, im Mittelpunkt eines öffentlichen Abendvortrages von Prof. Dr. Marion Maria Ruisinger, der Direktorin des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt.

Die Veranstaltung fand am 1. November 2012 im Rahmen des 5. Marburger Personalschriften-Symposions im Hessischen Staatsarchiv am Friedrichsplatz statt und war eine Kooperation zwischen der Forschungsstelle für Personalschriften und dem Marburger Geschichtsverein.

Im vollbesetzten Landgrafensaal nahm die Referentin ihre Zuhörer mit auf eine spannende Spurensuche, eine Entdeckungsreise in die Welt der Dinge. Dabei stieß der Blasenstein des Nürnberger Pfarrers, welcher der Referentin zunächst auf einem Gemälde, dann als Kupferstich in einer Leichenpredigt, als kolorierte Zeichnung in einer medizinischen Fallsammlung, als Wachsabdruck und schließlich auch im überlieferten Original begegnete, als "Fragengenerator" fachgrenzenübergreifende Themen an - von der Medizingeschichte ausgehend über Museologie und Sammlungsgeschichte bis hin zur Theologie und der allgemeinen Geschichte der Frühen Neuzeit.

Die wechselvolle Überlieferungsgeschichte des Blasensteins und die memoriale Funktion, die ihm und seinen Abbildungen von den zeitgenössischen Sammlern zugemessen wurde, war der erste interessante Aspekt, der dabei beleuchtet wurde. Aber auch die Frage nach der Behandlung eines Steinleidens in der Frühen Neuzeit stellt sich unweigerlich und wurde von der Referentin behandelt.

Ein weiterer Aspekt, der sich aus dem Objekt ergibt, ist das Problem der doch ansonsten in dieser Zeit verpönten Leichenöffnung, die aber hier von der Familie als letzte Dienstleistung verstanden wurde, die den Grund für das Leiden des Verstorbenen und damit auch die Handschrift Gottes im kranken Körper aufdeckte, und die sich damit ganz deutlich von der wissenschaftlich motivierten anatomischen Sektion unterschied.

Und schließlich ging die Referentin auf die Symbolhaftigkeit des Blasensteins als "Gedenkstein" und die theologische Komponente ein, die Sauberts Leiden als Martyrium und seinen Blasenstein als Werkzeug göttlichen Wirkens und menschlicher Glaubensstärke stilisierte.

Im Anschluss an den Vortrag ergab sich eine lebhafte Diskussion, in der weitere Fragen angeregt und "Forschungssplitter" ausgetauscht wurden. Vielleicht wurde dabei in so manchem ein neues Forschungsinteresse an Dingen angestoßen, so dass der Blasenstein von Johann Saubert auch weiterhin Fragen ins Rollen bringt ...

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