Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

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Michael Stemmler (1628–1702): Lebenslauf

Titelblatt

Das Heyl und die Seeligkeit
eines Wächters der Kirchen
und Superintendentens in der Gemeinschafft mit
dem Ertz=Hirten CHristo/
Als
Der Hoch=Ehrwürdige/ Hoch-achtbare und in GOTT
Andächtig=Hochgelahrte
HERR
M. Michael
Stemmler
/
Hoch=verordneter treu=verdienter Pastor und Super-
intendens zu Neustadt an der Orla/
Nachdem er den 22. Decembris Anno 1702. frühe nach zwey Uhren
im HERRN sanfft und seelig verschieden/
den 27. Eiusdem, war der dritte Weyhnacht Feyertag/
Bey ansehnlich=Volckreicher Versammlung
in die Stadt=Kirche daselbst
in seine vorlängst zubereitete Ruhe=Stäte gebracht ward/
Aus dem XL. Psalm v. 18.
Als dem von seel. Herrn Superintendenten selbst verordne=
ten Leichen-Text/ und nach Veranlassung seines gewöhnlichen
Wahl=Spruchs/
MESSIAS MEA SALUS,
Mein Mächtigster Sorget/
einfältig vorgestellet
von
M. Johann David Hebenstreiten/ Diacono daselbst.
ZEITZ druckts Melchior Hucho/ Fürstl. S. Naumb. Hof= und Stiffts Buchdrucker.

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Herrn M. Michaël Stemmlers seel.
selbst aufgesetzter Lebens=Lauff.

Verlaß mich GOtt nicht im Alter/ bis ich deinen Arm
verkündige Kindes Kindes=Kindern/ Ps. LXXI., 18.
Gedencke an des Ende Sirach XXVIII, 6.
Lehre uns bedencken daß wir sterben müssen auf daß wir
klug werden.
Etiam Ethnici: Vive Memor Lethi.
Mein M. Michaël Stemmlers/ Pfarrers und Su-
perintendentens zur Neustadt an der Orla
Lebens=Lauff.

ICh M. Michaël Stemmler/ bin in der Voigt=
ländischen Creyß=Stadt Neustadt an der Orla
gebohren Anno 1628. den 27. Mai. Mittags um
11. Uhr/ und ist mein Vater gewesen Weyland
Herr M. David Stemmler/ in die 38. Jahr al=
hier treuer Diaconus und Archi-Diaconus, auch
bey dreyen ereigneten Vacantien so vielmahl der Superintendur
Vicarius/ ein wegen Gutmeynung seines Vaterlandes in Pest=
und Kriegs=Zeiten wohlverdienter Mann/ dessen Gedächtnüß
bey hiesiger Stadt und auf dem Lande im Seegen und Ehre
bleiben wird/ welcher Anno 1659 seel. verstorben/ und am Ta=
ge Epiphaniae
begraben worden/ daß ich also in die 9. Jahr sein
Collega gewesen/ die Mutter aber Frau Catharina, Herrn M.
Johann Schuccelii
eines hochgelehrten Theologi, welcher denen
um die reine Evangelische Kirche hochverdienten reinen Lehrern
vornemlich den 3en Doctoribus zu Jena Herrn D. Gerhardo Ma-
iori
und Himmelio, mit denen er Correspondentien gepflogen
sehr werth und von ihnen hochgehalten worden/ Gräflichen
Schwartzburgischen wohlverdienten Superintendentens und O=
ber=Pfarres/ auch Assessoris des Consistorii zu Arnstadt eheleibl.
Tochter/ welcher mein seel Groß=Vater das Glück und Ehre
gehabt/ daß Er den weitberühmten um die wahre Evangelische
Kirche hochverdienten Theologum D. Salomonem Glassium Apo=
stolisch ordiniret. Dieser mein Groß=Vater von der Mutter
ist Anno 1629 zu Arnstadt seelig verstorben. Mein Groß=Va=
ter vom Vater ist gewesen Weyland Herr Michael Stemm=
ler
/ ein durch alle Raths=Aemter gegangener dapfferer Man[n]/
Endlich zu 3en mahlen Bürgermeister/ und des GOttes=Ca=
stens Ober=Vorsteher allhier. Dieser ist meinem Vater in der

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Jugend/ da er 8. Jahr alt gewesen/ Anno 1602. doch mit Hin=
terlassung eines ziemlichen Vermögens/ verstorben. Die Groß=
Mutter vom Vater hat geheissen Anna/ Hn. Nicolai Freunds
eines wohl=angesehenen Raths=Herrn und Cämmerers Toch=
ter. Die Groß=Mutter von der Mutter war Frau Marga=
retha
/ Herrn Lorentz Fürstenauers/ Amts=Verwalters zu
Gotha/ der nach den Gothaischen Kriege/ bey damahligen Ver=
änderungen/ sich nacher Saalfeld begeben/ und im Raths=
Stande gewesen/ eheleibliche Tochter. Nach meiner leiblichen
Geburth/ bin ich so balden zur seeligmachenden Wieder=Ge=
burth und der H. Tauffe dem HErrn CHristo/ und dem Gött=
lichen Gnaden=Bund einverleibet worden. Da meine Tauff=
Zeugen gewesen Herr M. Michaël Pharetratus, erstlich der hiesi=
gen Schulen treuer nützlicher Rector, der wegen seines wohlge=
führten Schul=Regiments und Erziehung vornehmer auch a=
delicher Leute/ so in geistlichen und weltlichen Stande/ zu ho=
hen ja Churfürstl. Aemtern kom[m]en/ in Schrifften noch bey uns
in Gedächtnüß ist. Und ist hierbey merckwürdig/ daß gedachter
M. Pharetratus auch meines Groß=Vatern Hrn. Bürgermei=
ster Michael Stemmlers Pathe gewesen/ und von ihm aus
der Tauffe gehoben worden. Meine andern Tauff=Zeichen sind
gewesen Herr Bürgermeister Basilius Güpner/ und Herrn Jo=
hann Franckens
des Raths Ober=Cämmerers allhier gewesene
Haus=Frau. In folgender Zeit bin ich zu allen guten ange=
wehnet und wohl erzogen; sonderlich aber in anwachsen=
den Jahren denen Herren Praeceptoribus in der Schulen unter=
geben worden/ die mich in der Pietaet gantz treulich informiret.
Nachdem ich aus den untersten Classen in die Oberste kom[m]en/
hat mich Herr Johann Poßner Cantor, in rudimentis latinae lin-
guae informiret; Ferner Herr Johann Fiedler Conrector, ein in
Griechischer und Lateinischer Sprache wohlerfahrner Mann/
guter Rechenmeister/ glücklicher Didacticus, dem ich die Wissen=
schafft in der Arithmetica, auch sonsten viel zu dancken; denn Hr.
M. Timotheus Lautenschläger Rector, von dem ich den Anfang in
Logicis und Rhetoricis, darbey den Virgilium gehöret. Hierbey
habe ich eine sonderbare Inclination und Lust zur Music gehabt/
wie ich denn ohne Ruhm/ nebenst der von vorgedachten Herrn
Cantore erlerneten Vocal-Music, durch kürtzlich Anweisen guter
Meister/ instrumentaliter viel begriffen/ darvon mein seel. Vater
mich/ weil es noch in jungen Jahren geschehen/ nicht abgehal=
ten/ habe aber Göttlicher Direction zu dancken/ daß ich derglei=
chen als ein Πάρεργον tractiret/ und es mir an den andern Studiis
keine Hinderung seyn lassen. Als nun 1640. der hiesige Bezirck
durch den Krieg gantz verderbet/ sonderlich im Maio gedachten
Jahres in der Schwedischen total-Plünderung alles dergestalt
ruiniret wurde/ daß viel Leute vermeyneten sie würden sich nicht
wieder satt essen können/ zerstobe auch die hiesige/ sonst gute
Schule gantz/ ja die Praeceptores superiores selbst wurden gezwun=
gen solum zu vertiren; dahero mein seel. lieber Vater auf nichts

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mehr bedacht war/ als auch bey denen bösen theuren Zeiten/ da er
doch das Haus voll Kinder hatte/ seine Besoldung muste stehen
lassen/ und das angreiffen/ was er in seinen äussersten Vermögen
hatte/ mich nicht verderben zu lassen/ dahero er mich An. 1641. im
Maio
nach Arnstadt verschickt/ und allda bey seinen Schwager
meiner Mutter Bruder Hrn. M. Andrea Schuccelio, auf eigene
Kosten an den Tisch gethan/ allwo ich den[n] auf der Schulen einen
treuen Rectorem an Hrn. M. Andrea Stechanio gefunden/ der mich
sehr geliebet/ meine Wohlfarth gesuchet und mich wider seinen
Willen dimittiret. Weil aber aus erheblichen Ursachen/ son=
derlich propter coniugium hospitis & rem familiarem Änderung
muste getroffen werden/ bin ich nach Verfliessung eines Jah=
res und etwas drüber/ Anno 1642. im Augusto in das Reuß=
Plauische Gymnasium nacher Gera kommen/ und unter der In-
formation des gelehrten/ geschickten und wohlqualificirten Recto-
ris M. Gottfried Lindemuths gewesen/ welcher ein herrlicher O-
rator und Philosophus war/ und mich als ein treuer Praeceptor in
Lateinischer und Hebräischer Sprache informiret. Wie ich und
viele mehr/ so zu Ehren gekommen/ ihm dancken. Dieser hielte
uns stetig zum Studio Oratorio, welches/ wie er sagte/ einen am ge=
wissesten mit der Zeit nehrte/ als habe ich mich dessen beflissen/
scribendo & interdum declamando pro posse das meine gethan/
und bin bis An. 1645. im Herbst daselbst verblieben. Darauff
so balden nach Jehna auf die Universitaet gezogen/ weilen
mein seel. Vater mich tüchtig erachtet/ sonderlich aber sein
Absehen gehabt/ daß/ weil er alt wurde/ und die Zeiten noch
immer böse blieben/ ich ihme zu Troste bald zu einen Dienste/
er möchte seyn so gering als er wolte/ kommen könte/ wie
denn weder er/ noch ich jemahl hoch hinausgesonnen sondern
der Göttlichen Direction unsere fata überlassen. Zu Jehna
bin ich blieben bis 1647. habe Stalium, Zeisoldum, Sagittarium, so
hernach General-Superintendens zu Altenburg worden/ gehöret/
und weil er dazumahl eben seine Professionem Historiarum & Poë-
seos angetreten hatte/ unter seiner Direction eine Oration in Col-
legio Philosophico de encomio Historiographorum & Laude Sleida-
ni
, ferner auch eine responsoriam ad supplicationem de receptione
spurii cum denegatione gehalten/ die Lectiones D. Maioris Senior.
der Anno 1646. in der Helmstädischen Controversie lasse/ auch
Iunioris de Libro Vitae, Musaei de Theologia in Genere besucht/ und
die Disputationes gehört. Anno 1647. in die Oster=Messe bin ich
auff die Universitaet Leipzig gezogen/ und daselbsten auch meine
Studia theologica continuiret/ sonderlich mit dem seel. D. Geiern
und Hülsemannen, bekanndt worden/ an welchen letztern der
seel. Hr. M. Lippach Superintendens allhier/ mich offt geschickt.
Dieser Herren Theologorum Collegia habe ich fleißig frequentirt/
Darbey bey L. Philipp Müllern mich in Mathesi informiren las=
sen/ bevorab meinem Zwecke nahe zu kommen/ bey Herrn D.
Carpzovio
Sen. Homiletica tractiret/ so habe ich auch D. Langen
Seniorem
in Lesen und Disputiren fleißig gehöret. Ich habe aber

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daselbst/ der nöthigen Mittel wegen/ nicht viel über ein Jahr
bleiben können/ sondern mich nach Hause begeben müssen. Weil
ich nun zeit meines Lebens dem Müßiggange feind gewesen/
habe ich meinen durch den Krieg ohne dem verderbten Eltern
nicht beschwerlich seyn wollen/ sondern mich nach einer Condition
umgethan/ doch selbige lieber an fremden Ort suchen wollen/ als
nahe bey den Meinigen zu seyn. Daher ich von meinen Vater
mit recommendation abgefertiget worden/ und nacher Dreß=
den
gereisset. Allwo Ich von den damahls Churfürstl.Sächs.
Zeug-Lieutenant Strupperten/ und den Hoff=Becken Blumen=
rödern
/ als hiesigen Stadt=Kindern gar freundlich empfangen
und auffgenom[m]en worden/ bis sich eine Gelegenheit vor mich er=
eignet/ da ich bey dem Amtschösser zum Stolpen Hrn. Andrea
Beckern
willigst zu seiner Kinder Praeceptore angenommen wor=
den/ da wurde ich auch mit einen guten Salario versehen und
gar werth gehalten/ so habe ich auch die Ehre erlebet/ das einer
meiner Discipulorum Augustus Becker U.J.D. und vornehmer
Practicus zu Dreßden/ der andere aber Gottlob Becker/ Chur=
fürstl. Sächs. Reisse=Secretarius worden. Sie sind aber beyde
vor mir längst zu Bette gegangen. In solcher meiner Station
habe ich viel gelernet/ mich in praxi geübet/ und des Guten/ des=
sen ich selben Orts genossen/ niemahls vergessen können. Es
sorgete auch GOtt an selben Orte mit Beförderung vor mich/
indem bey Verledigung des [Cantorat=Dienstes] zu Pirna ich
unter andern in Vorschlag kommen/ und durch Vorschub Hrn.
Schelchers Stadtschreibers daselbst/ eines hiesigen Stadt=Kin=
des/ mir der Weg ziemlich gebahnet wurde; solchen Dienst hät=
te ich auch gerne angenommen/ aber es wolte es mein lieber
GOtt nicht haben/ der mich meinem Vaterlande und meinem
Vater destiniret hatte/ doch meinete ich dazumahl als sey mir
groß Leid geschehen/ daß ich solche Function nicht überkam.
Nachdem ich nun bis in das 3te Jahr mich daselbst nach mei=
nen Vermögen wohlverhalten/ dachte GOtt an mich/ wiewohl
noch bey jungen Jahren/ da ich noch nicht das 22. Jahr mei=
nes Alters erreichet hatte: denn als Anno 1649. den ersten hei=
ligen Weynachts=Feyertag Herr Christoph Hartmann/ treu
meritirter erst Conrector hernach Diaconus allhier/ unter seiner
gehabten Amts=Predigt vom Schlage getroffen worden/ daß
er wenig Tage drauff seelig verschieden/ hat ohne mein eintzi=
ges besuchen/ lauffen oder rennen/ ja ohne mein wissen/ E. Eh=
renvester Rath wegen meines Vaters treuen Meriten mich in
consideration gezogen/ und ohnerachtet 3. andere subjecta, so be=
reits in Diensten gewesen/ in Vorschlage stunden/ hat doch
der damahlige Superintendens Herr M. David Lippach mich vor
andern verlanget/ deme auch hernach als einen gewissenhaff=
ten Manne/ E. E. Rath gerne gefolget/ und mir die Vocation,
da ich 24. Meilen von hier war/ und meines seel. Herrn Ante=
cessoris Tod nicht wuste/ zugeschickt/ darauff ich mich fortge=
macht/ und von Stolpen mit guten Wunsche dimittiret ward/

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muste aber wegen greulichen Wetters in Leib und Lebens=Ge=
fahr reissen/ und merckte ich damahls schon wie mir es in mei=
nen Predigt=Amte auch sehr verdrießlich unter einander gehen
würde. Weil nun meine lieben Eltern lange auff mich mit
Schmertzen gehoffet/ und gemeynet/ es sey mir unter wegens
etwas wiederfahren/ wurde ich von ihnen mit Freuden em=
pfangen. Hierauf setzte mir mein erster Herr Superintendens Hr.
M. David Lippach das tentamen an/ nach dessen Ablegung ich
Dominica Reminiscere 1650. mit aller Zuhörer Zufriedenheit/
die Prob=Predigt abgelegt/ dann die Vocation den 12. Martii
erhalten und von Hrn. Christian Langen der heil. Schrifft D.
Pfarrern und Superintendenten zu S. Thomas in Leipzig den 19.
Martii
ordiniret und confirmiret wurde; habe darauff an heil.
Oster=Feyertagen
mein Amt angetreten/ bin auch von Herrn
Ludovico Stemmlern Pfarrern und Adjuncto zu Knau/ mei=
nen alten Vetter/ weil der Superintendens immer kranck/ und
mein seel. Vater es nicht thun wolte/ investiret und hießiger
Gemeinde solenniter vorgestellet worden. Nachdem ich nun
mein Amt angetreten/ meldete ich mich/ auf Einrathen meines
seel. Vaters auch anderer vornehmen Freunde/ sonderlich mei=
ner werthen Praeceptorum in Jena/ noch selbiges Jahr um den
Gradum Magisterii bey der Philosophischen Faecultaet zu genandten
Jena an/ den ich auch/ primum obtinens locum, dicto Anno
1650. M. Augustô
von obengemeldeten Hrn. Sagittario, benebst dem
nachmahligen fürtreflichen Theologo Hrn. D. Schertzern/ er=
langet. In meinen Diaconat-Amte habe ich 9. Jahr zuge=
bracht/ und sowohl auf dem Lande/ als in der Stadt die Evan=
gelia/ Episteln und Catechismum fleißig erkläret. Biß mein seel.
Vater An. 1659. Dom. post Fest. Circumcisionis mitten unter der
Predigt/ welche mein nun auch seel. Bruder und des Vaters
Substitutus Hr. Johann Stemmler gehalten/ verstorben/ da ich
so dann nach ordentlicher Wahl zum Archi-Diaconate gelanget/
wie mir denn deßwegen den 8. Iulii gedachtes Jahrs die Voca-
tion, den 20sten aber die Confirmation von Consist. zu Leipzig
ausgestellet worden. In dieser Station bin ich über 9. Jahr ver=
blieben. Nach seel. Absterben Hr. M. Christiani Berlichii Super-
intendentens allhier/ mit dem ich vertraute Collegialische Freund=
schafft 14. Jahr lang gepflogen/ ist mir die Superintendur per Vices
aufgetragen worden/ und als dessen Successor Herr M. Joh. Seba-
stian Mitternacht
eine kurtze Zeit hier gewesen/ wurde er An. 1667.
von Ihro Hoch=Fürstl. Durchl. Hertzog Moritzen höchst=seel.
Andenckens zu einen Hof-Prediger/ Kirchen=Rath un[d] Stiffts=
Superint. gen Zeitz vociret, darauf ich/ ohnerachtet viel Competen=
ten/ deren gewisse den Gradum Licentiati hatten/ in Consideration
kom[m]en/ und nach abgelegter Predigt in der Schloß=Kirche zu
Zeitz über das Dictum Dan. IX. Ein Volck des Fürsten wird kom=
men etc. von vorgedachten Hochseel. Glorwürd. Fürsten Mau-
ritio
die gnädigsten Promissen zur Succession des seel. Hrn. Mitter=
nachts
erlanget/ und wurde mir A. 1668. erstl. der Titul Inspectoris

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zugelegt/ nicht lange aber darauf nemlich den 26. Nov. ermeldeten
Jahres
die Superintendur völlig anvertrauet/ und deßwegen aus
dem hochlöbl. Consistorio Leipzig mir die Confirmation ausgestel=
let; darauf ich auch zu einen Pfarr und Superint. allhier von
Hrn. D. Elia Sigmund Reinharten Superint. daselbst/ solenniter
investiret worden. Was ich nun bey so sauren Pastorat und Su-
perintendur-Amte so viel Jahr über gelitten und ausgestanden
auch nach allen Kräfften und Vermögen in Kirchen= Schul= In-
spections- Commissions= und andern sonderl. Gottes=Castens=
Sachen ausgerichtet/ will ich lieber andere sagen lassen/ als von
mir selbst sprechen. Ich verlange eben nicht aus Schwulst was
Epaminondas, der seinem Vaterlande viel gutes gethan/ begehr=
te/ wenn er sagte: Nihil cupio quam memoriam mei, doch dencke
ich/ es dürffte in Zukunfft wohl mancher in Guten an mich ge=
dencken/ wenn ich weg bin. Was meinen Ehestand betrifft/ habe
ich mich nachdem ich zwey Jahr hier in Ministerio gewesen/ mit
Rath und Genehmhaltung meiner Eltern An. 1652. im Februa-
rio
auf vorher gethanes andächtiges Gebeth/ mit damahls
Jungfer Elisabethen/ weyland Herrn Johann Hermanns
wohlbestallten Stadt=Richters auch des GOttes=Castens O=
ber=Vorstehers allhier/ und Frauen Rebeccen/ einer gebohr=
nen Wendlerin
/ von Moderwitz beyder seel. hinterlassenen ehe=
leiblichen Tochter/ darein begeben/ und nun diese lange Zeit
für eintzelne Tage gerechnet/ das ist eine recht friedliche/ liebrei=
che und glückliche Ehe besessen/ auch durch GOttes Gnade 14.
lebendige Kinder gezeuget/ darvon 5. in der Jugend seelig ver=
storben/ 9. aber haben wir Eltern groß gezogen/ und viel Freu=
de und Vergnügen darbey/ doch auch Creutze gehabt/ inmas=
sen instehender Ehe mir 2. Töchter/ die ältiste und jüngste mit
Hinterlassung vieler Waysen verstorben/ doch dancke ich mei=
nen GOtt gar höchlich vor das Gute/ so er mir in Versorgung
meiner Kinder erwiesen. Ich habe insonderheit eine rechte son=
derbare Freude; daß meine 3. Söhne; die ich von Jugend an dem
HErrn gewiedmet; alle 3. Priester worden; und dem HErrn
bey meinen Lebens=Zeiten noch in seinem Weinberge dienen.
Denn unter denen sieben Kindern/ so annoch am Leben sind;
folgen sie also: Der erste Sohn/ M. Michaël Stemmler ist Dia-
conus zu Ziegenrück/ welcher zum erstenmahl mit Frauen Mar=
garethen Dorotheen
/ Herrn Abraham Crügers wohlverdien=
ten Pfarrers und Adiuncti daselbst Tochter verheyrathet gewe=
sen/ mit welcher er auch ein Töchterlein/ so vor der Geburt ge=
storben/ gezeuget/ nach seel. Absterben aber derselben/ hat er sich
wiederum mit Frauen Dorotheen/ weyland Herrn Christoph
Behrs
vornehmen des Raths und Handelsmanns allhier
Tochter verehligt/ mit welcher er 8. Kinder gezeuget/ als 4.
Söhne und 4. Töchter/ darvon aber nur noch 2. Söhne und 3.
Töchter am Leben. Der andere Sohn ist M. David Stemm=
ler
/ Pfarrer zu Copitsch/ welcher sich Anno 1695. den 4. Iunii mit
Frauen Marien Catharinen/ Hrn. Christoph Zinsmanns/ vor=

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nehmen Bürgers und Schönfärbers auch Tuchhändlers alhier
eheleibl. Tochter/ ehelich copuliren lassen/ und mit ihr 4. Söhne/
so noch am Leben/ gezeuget. Der dritte Sohn ist M. Johann
Christoph Stemmler
/ welcher Anno 1700.auf mein unterthä=
nigstes Anhalten/ mir von Ihr. Hoch=Fürstl. Durchl. Herrn
Hertzog Moritz Wilhelmen/ in meinen Pfarr-Amte/ welchen
ich wegen Alters und Unvermögen/ nicht mehr vorstehen kön=
nen/ substituiret worden/ welcher nur unlängst mit Frn. Marien
Dorotheen
/ Hrn. Ambrosii Rehmens der Medicin berühmten
Doctoris auch Stadt und Land=Physici allhier eheleibl. Tochter
Priesterlich getrauet worden/ und hat mir GOTT die Gnade
gethan/ daß ich ihn noch selbst zu dem Altar führen können.
Dieser mein Sohn hat mir nunmehr in das 3te Jahr alle kindli=
che Liebe und Treue erzeiget. Vor solche mir von Hoch=Fürstl.
Durchl. erwiesene Landes=Väterliche Gnade dancke ich noch/
und muß bekennen/ daß ich unter diesen theuren Fürsten/ wel=
cher nach seinen beyden Namens Anfangs=Buchstaben M. und
W. Mein Wohlthäter gewesen/ unaussäglich grosse Gnade ge=
nossen/ indem er meine 3. Söhne gnädigst befördert/ und durch
den letzten in meinen hohen Alter mir Ruhe geschaffet. Der
HErr sey davor Vergelter! Und erhalte Ihre Durchl. bey allen
Hoch=Fürstl. Wohlseyn/ welcher ich nächst GOTT die armen
Meinigen nach meinen seel. Tode zu fernerer Fürstl. Vorsor=
ge demüthigst befehle; Ich werde die mir erzeigte Gnade auch
in Ewigkeit für GOttes Angesichte rühmen. Meine ältiste
Tochter ist gewesen Frau Catharina Elisabeth/ Hrn. M. Martin
Dressers
/ gewesenen treuverdienten erst Rectoris der Schulen/
hernach Diaconi der Kirchen allhier seel. Eheweib/ welche aber
An. 1685. den 1. May seelig verstorben/ welcher ihr Ehe-Herr/
nun vor 9. Jahren den 4. Iunii 1694. nachgefolget; diese hat 10.
Kinder zur Welt bracht/ darvon noch 4. am Leben/ von wel=
chen die ältiste Tochter Frau Ursula Elisabeth/ an Herrn Da=
vid Leuthiern
wohlverordneten Pfarrern zu Dreba verheyra=
thet worden und mich mit 5. Kindes Kindes=Kindern 4. Söh=
nen und 1. Tochter erfreuet. Die andere Tochter ist Frau Re=
gina Margaretha
/ welche 1676. an Hrn. Christophorum Sonn=
tagen
der H. Schrifft hochberühmten Doctorn, Profess. Primar.
und der Kirche Antistitem zu Altdorff/ damahligen Past. zu Un=
ter=Oppurg
verheyrathet worden/ von dieser habe ich 15. Kin=
des=Kinder gesehen/ 10. Söhne und 5. Töchter/ darvon noch 8.
Söhne und 2. Töchter am Leben/ der ältiste von ihnen ist
M. Ioh. Michaël der Philosophischen Facultaet zu Jehna Adiun-
ctus, der andere aber M. Christian ist Pfarrer zu Raschau und Vi-
carius zu Altdorff/ hat sich auch mit Frauen Sabinen Herrn
Heinrich Linckens I.U.D. Hochfürstl. Sultzbachischen und ei=
nes Hoch=Edl. Raths zu Nürnberg Consil. auch Prof. Publ.
zu Altdorff seel. Tochter Priesterlich trauen lassen. Die dritte
Tochter ist Frau Maria Elisabeth/ Herrn Christoph Samuel
Aufdieners
wohlverordneten erstlich Diaconi in Raniß itzo

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Pfarrers zu Käyna im Stiffte Zeitz/ eheliche Haußfrau/ mit
dem sie An. 1677 getrauet worden. Diese hat 7. Kinder geboh=
ren 3. Söhne und 4. Töchter/ darvon der eine Sohn seel. ver=
storben. Die vierdte Tochter ist Frau Anna Justina Herrn
Johann Köthens Churfürstl. Sächs. Steuer-Einnehmers/
Bürgermeisters und des Gotteskastens Ober=Vorstehers all=
hier Haus=Ehre/ welche An. 1686. ehelich worden. Die fünff=
te Tochter ist Frau Anna Christina Hrn. Theodori Ackerman[n]s/
wohlverordneten Pfarrers zu Auma Ehe=Gehülffin/ welche
Anno 1689. in H. Ehestand getreten/ und 7. Kinder als 3. Söh=
ne und 4. Töchter gebohren/ leben aber nicht mehr als noch
1. Sohn und 2. Töchter. Die sechste Tochter war Frau Anna
Sibylla
/ Herrn Joh. Christoph Breunings Churfürstl. Sächs.
Steuer=Fourirers in hiesigen Creyß seel. gewesenes Eheweib/
welche beyde aber durch den Tod vor dem Jahre einander bald
gefolget/ und 6. Kinder gehabt/ davon noch 4. Töchter am Le=
ben! Nun der Allerhöchste/ vor dem meine Väter und ich
gewandelt/ sey meiner Kinder/ die ich verlasse/ ihr GOTT; er=
halte sie in der einmahl erkandten Glaubens=Wahrheit/ und
lasse sie seyn die Gesegneten des HErrn immer und ewiglich.
Mir aber gebe er/ wenn Zeit und Stunde kömmt/ ein sanfftes
und seeliges Ende/ und lasse mich auf das Verdienst seines
Sohns sanffte einschlaffen; Ich will seinen Beruffe/ weil er
meine Kinder alle bey meinen Lebezeiten genädig versorget/ ger=
ne und willig folgen; Vater in deine Hände befehl ich meinen
Geist: Laß mich schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit: HErr
JESU/ dir leb ich/ dir sterb ich/ dein bin ich tod und lebendig
Amen!

Biß hieher des seeligsten Herrn Superintendentens eigene Worte.

Was nun das Christenthum des seel. Hrn. Superintendentens
betrifft/ hat derselbe von Jugend auff seine Freude und Lust an
GOttes Wort gehabt/ und darnach seine Meditationes und a=
ctiones eingerichtet/ sonderlich des Herrn Lutheri Schrifften
nebenst andern reiner alter Lehrer und Theologen Bücher
sehr fleißig gelesen/ und also seine scientiam theologicam sehr
feste gehabt/ daraus er sich beflissen Glauben und gutes Gewis=
sen bis ans Ende zu behalten: seinen hohen anvertrauten Am=
te hat er als Diaconus und Archi-Diaconus 18. Jahr und als Su-
perintendens 35. Jahr als ein rechter Bischoff und Fürbild der
Heerde treulich vorgestanden/ und sich erwiesen als ein treuer
Seelsorger. Er hat niemahls seine eigene/ sondern GOttes
Ehre gesuchet/ seines Amts sich mögligst angenommen/ und mit
Willen nichts versäumet/ und seiner anvertrauten Schäflein
ewiges Heyl zu suchen ihm höchstes Fleisses angelegen seyn las=
sen; wie er denn die Zeit über die Sonntägl. Evangelia nicht
allein ordentlich/ deutlich/ und mit schönen Methodis erkläret/
daß die Zuhörer sowohl Kunst als Erbauung admiriret/ sondern
er hat auch als Archi-Diaconus die Mittwochen/ und Superinten-

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dens die Freytage über den Obadiam/ Nahum/ Historiam von
Manna/ über den Propheten Daniel/ Epistel Judä/ und letzt
über das 1. Buch Samuelis geprediget. Seine Synodos hat er/
als Ephorus, fleißig gehalten/ und in denenselbigen (1) Chemni-
tii
Enchiridion in 10. (2) Das Compend. Hutteri in 10. Die Aug=
spurgische Confession in 8. Disputationibus ingleichen de obliga-
tione ad Libb. Symbb. und de Lib. Symbb. Autoritate, letztens aber
über die 3. Symbola Oecum. disputiret; daß er also 33.Synodos und
so viel Dispp. gehalten. Wobey denckwürdig/ daß in seinen er=
sten Synodo 1668. sein leiblicher Bruder/ Hr. Joh. Stemmler/
Eccl. huius Archi-Diac. seel. in dem letzten aber 1702. sein leibl.
jüngster Sohn und Substitutus M. Joh. Christoph Stemmler/ un=
ter ihme disputiret.

Des seel. Hrn. Superintendenten Leben und Wandel belan=
gend/ hat er wie alle Menschen auch die heiligsten/ Fehler ge=
habt/ daher er sich jederzeit für einen armen Sünder erkannt/
seine Sünden dem lieben GOTT allezeit mit recht bußfertigen
Hertzen/ abgebethen/ auch jedesmahl zu rechter Zeit solcher Ver=
gebung der Sünden/ durch Empfahung des wahren Leibs und
Blutes CHristi im Heil. Abendmahle/ theilhafftig worden/ wel=
ches er auch nur in seiner Niederlage Sonntags vor 8. Tagen
mit rechter hertzl. Andacht und bußfertigen Bekändnüß aller sei=
ner Sünden/ das letzte mahl genossen. Daß er bey vermögenden
Kräfften die Predigten und Bethstunden besucht/ kan jederman
ihm Zeugnüß geben/ und weil er etliche Jahre her zu gehen nicht
vermocht/ sich darzu tragen lassen. Sein Gebeth hat er zu
GOTT so andächtig abgeschickt/ daß ohne Zweiffel GOtt um
dieses Mannes willen/ der sich vor den Riß gestellet/ manches
Unglück aus Gnaden abgewendet/ vor welchen er nun weg=
gerafft worden. Sanfftmuth/ Friedfertigkeit/ Demuth und
Freundligkeit hat er von Hertzen geliebet/ mit dem Fürstlichen
Amte und dem Rathe verträglich gelebet/ auch mit seinen Col-
legen, so viel an ihm/ treue Freundschafft gepflogen/ da ihn son=
derlich GOtt die Gnade gegeben/ daß er zu Collegen seinen leib=
lichen Vater/ Bruder/ Eydam/ Schwester Sohn auch leiblichen
Sohn gehabt. Er ist auch keinen in diese Inspection gehörigen
Priester (wo es nicht sein Amt und Pflicht erfordert) zuwider
gewesen/ der Schulbedienten in Städten und Dörffern sich sehr
angenommen. Und ob er schon seines redlichen Wohlmeynens
halben vielfältigen Undanck erleiden müssen/ hat er sich niemahls
das Böse überwinden lassen. Denen aber so ihm wider Gebühr
böses gethan/ vergeben/ und ihnen nichts nachgetragen/ son=
dern offt gesagt: Das Böse kan ich leicht/ des Guten aber nim=
mermehr vergessen. Den Armuth hat er nach seinen Vermö=
gen viel Gutes mit Rath und That gethan/ betrübter Wittben
und Waysen sich angenommen und alle Hülffe geleistet. Sei=
ne Kinder hat er hertz-treulich gemeynet/ für sie grosse Sorge
getragen/ und für ihre Wohlfarth manche Reise gethan/ auch
Schlaff=lose Nacht gehabt. An Creutz/ Verfolgung und Wi=

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derwärtigkeit hats ihm GOTT auch nicht ermangeln lassen/
dann zugeschweigen der Kriegs=Ungelegenheiten/ die ihn in sei=
ner Jugend begegnet/ hat er sonst viel Ungemach ausgestanden/
sonderlich einsten/ da er von Stolpen nacher Dreßden gereisset/
ist er in Leib= und Lebens=Gefahr gerathen/ indem er von ei=
nen Strassen=Räuber angegriffen/ und wenn es nicht GOtt
sonderlich verhütet hätte/ erschossen worden wäre/ doch wur=
de ihm dazumahl sein entlehntes Pferd/ alle Kleidung bis aufs
Hembde genommen. So hat auch der Verlust zweyer Töch=
ter und darauf ihrer Männer/ so ihre arme Waysen hinterlas=
sen/ nicht wenig gekräncket. Er hat auch An. 1694. den 21. Nov.
zur Dreba/ da er seinen Kindes=Kinde die Hochzeit-Predigt ge=
than und sie mit dem Pastore des Orts copuliret/ frühe um 7. Uhr
einen gefährlichen Treppen=Fall gethan 9. Stuffen ab/ wovon
er in seinen Calender/ als er reconvalesciret/ diese Gedancken ge=
setzet:

GOtt wie kan ich dir verdancken daß die grosse Leibs=
Gefahr
Wider vieles Volcks Gedancken gnädig abgewendet
war/
Läst du mich noch länger leben hier auf Erden so verleih/
Daß ich dir mich mög ergeben und ja niemahl sicher sey/
Bis ich seelig zu den Frommen
In den Himmel werde kommen.

Vielfältige Verdrüßligkeiten/ Unglück/ Sorge und Widerwär=
tigkeiten/ die er/ weil er Amts wegen nicht einen jeden/ nach
Gefallen leben können/ erfahren müssen/ zu übergehen. Diß
alles aber hat er mit sonderlicher Gedult ertragen und sich je=
derzeit an der Gnade GOttes begnügen lassen. Man könte
hier noch andere exemplarische Theologische Tugenden/ inson=
derheit die Demuth/ von unsern seel. Herrn Superint. rühmen;
doch will man solche mit Fleiß übergehen; weil der Seelige nicht
nur/ aus sonderbarer modestie; ein Feind aller eiteln Ruhm=
sucht gewesen/ sonder auch/ weil sie in und ausser der Stadt
bekandt sind. Hierbey aber hat er sich seines Endes offt erin=
nert/ sein Grab darein er wird itzo versencket werden/ vor vie=
len Jahren zubereiten lassen/ auch seinen Leichen=Text und Le=
bens=Lauff selber aufgesetzet und nur vor kurtzer Zeit revidiret.

Zu unsers seeligsten Herrn Superint. Abschiede aus die=
ser Welt und vorhergehenden Kranckheit zu kommen/ so ist fol=
gender Bericht zu ertheilen/ nemlich: Es haben sich bey den ho=
hen Alter die Leibeskräffte allmählich geschwächet/ jedoch hat
er sein anvertrauetes Superintendenten=Amt bis auf die letzte
Stunde verrichtet. Wie er nun von Jugend auf zu Lipothimiis
geneiget gewesen/ also hat ihm dergleichen verwichenen 11ten
Decembr.
Abends nach der Mahlzeit angewandelt/ worauf er
alsbald ins Bette gebracht/ und gantz erstarret/ da denn so bal=
den (Tit. Tot.) Herr D. Ambrosius Rehme/ hochbestallter Stadt=

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und Land=Physicus allhier geholet worden/ nach dessen adhibir-
ten Medicamenten der Calor naturalis allmählich sich wieder ge=
funden/ der Appetit aber zum Essen/ welches sonst nebenst dem
Schlaffe sein Cur mit gewesen/ verlohren. Nichts destoweniger
hat sich die Natur durch köstliche adhibirte Medicamenta wieder
recolligiret/ und der Schlaff und Appetit wieder funden/ daß
man gute Hoffnung zur Reconvalescentz gehabt; aber die Nacht
hat den Patienten ob lymphae regurgitationem & Spirituum inter-
ceptionem und Schlag=mäßige Syncope aufs äusserste an=
gegriffen/ und aufs neue partes membranosas & totum genus ner-
vosum velliciret und convelliciret/ daher pulmo a respiratione &
cor a motu super apoplexiam subsistiret/ worauf ein geschwinder
sanffter und unempfindlicher Tod erfolget. In seiner Kranck=
heit hat er sich überaus wohl zu [seinen] bevorstehenden Tode
bereitet/ den er gar wohl gewust und vor Augen gesehen; in=
massen er zu vielen auch seinen beyden Herrn Collegen Hr. M.
Francken
und Hr. M. Hebenstreiten die ihn (und zwar der letzte=
re als sein gewesener Beicht=Vater unermüdet fleißig und täg=
lich viele mahle) besucht/ wie auch zu seinen Kindern gesagt/ er
habe sich bereitet/ er komme nicht wieder auf/ GOtt möchte
kommen wenn er wolte; dahero er denn inbrünstig gebethet/
und zu denen/ die ihn besucht/ des Gebeths Krafft gerühmet.
Wie er nun in seinen Autographo GOtt um ein sanfft/ gelind und
seel. Ende angeflehet/ welches nach seiner Gnade ihm GOtt ver=
leihen wolle/ zu der Zeit da er noch den Leuten was nutze wäre/
deßhalben er auch seinen Geist in seine Hände befohlen: Also
hat ihn GOTT seiner Bitte gewähret; indem er nächst abge=
wichenen Freytag
frühe zwischen ein und zwey Uhr mitten im
Schlaffe seeligst verschieden und sanffte in seinen JESU ent=
schlaffen/ da er auf dieser Welt gelebet im ledigen Stande 24.
Jahr/ in unveränderten Ehestande 51. Jahr/ in Predigt=Am=
te fast 53. Jahr/ darunter 35. als Superintendens/ nachdem er
erlebet 14. lebendige Kinder 59. Kindes=Kinder/ und 5. Kindes=
Kindes=Kinder/ daß er also sein ruhmwürdig geführtes Leben
gebracht auf 74. Jahr/ 7. Monat/ 2. Wochen/ 3. Tage und
etliche Stunden.