Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

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Johann Wilhelm Magen (1656–1699): Lebenslauf

Titelblatt

CONCOCTIO
CRUCIS MYSTICA,
Geistliche Verdauung
des Creutzes/
Bey ansehnlich=volckreicher Leich=Bestattung
Des
Weyland Wohl=Ehrenvesten/ Gros=
Achtbahren und Wohlweisen
Herrn Johann
Wilhelm Magens
/
E. E. Raths Bau=Herrns/ und vorneh=
men Handels=Manns zu Arnstadt/
Welcher
nach ausgestandener langwieriger Leibes=Beschwehrung/
am 11. May/ dieses 1699sten Jahres/ nachmittags gegen 5. Uhr/
wohlbereit und seelig im HErrn entschlaffen/
und Dessen entseelter Leichnam den 15. dieses/ in hiesiger Neuen Kirchen/ in Sein besonderes
durch
ein ansehnliches Legatum wohlerhaltenes Ruhe=Kämmerlein
eingesencket worden/
Aus dem von Ihm selbst erwehlten Leich=Text
(Wir wissen/ daß denen die GOtt lieben/ alle Dinge zum besten dienen/
Rom. VIII, 28.)
in gemeldter Kirche fürgezeiget/
Und zu des seeligen Mannes letzten Ehren=Gedächtniß/
sowohl auf der Hinterlassenen Begehren
als aus gebührender Danckmüthigkeit
zum Abdruck ausgefertiget
Von
Johann Gottfried OLEARIO/ Superint.
und des Consist. Assess. hierselbst.
Arnstadt/druckts Nicolaus Bachmann.

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Lebens=Lauff.

Belangende nun des seeligst Verstorbenen ehrliche
Ankunfft/ Christliches Leben und seeliges Absterben/ davon hat Er
Nachfolgendes mit seiner eignen Hand aufge=
zeichnet hinterlassen:

ANno 1656. den 18. Ianuarii bin ich in der Gräflichen
Schwartzb. Stadt Greussen auf diese Welt geboh=
ren/ mein seeliger Vater ist gewesen Herr Johann
Christoph Magen
/ Iuris Practicus, wie auch Bür=
gemeister und Stadt=Schreiber in bemeltem Greus=
sen
; die Mutter/ Elisabeth Anna/ Herrn Wolffgang Antonii,
gewesenen Ober=Bürgemeisters und Apotheckers zu Greussen nach=
gelassene Frau Witbe. Der Groß=Vater vom Vater/ Herr Ben=
jamin Magen
/ Bürgemeister in Greussen/ der Groß=Vater von der
Mutter/ Herr Andreas Happe/ Ober=Bürgermeister und Apothe=
cker in Franckenhausen; die Groß=Mutter vom Vater ist gewesen
Frau Sabina/ Tobiae Leibers/ Ober=Bürgemeisters in Greussen
Eheleibliche Tochter/ die Groß=Mutter von der Mutter/ Frau An=
na Maria/ gebohrne Wunnin
von Franckenhausen. Diese meine
liebe Eltern haben mich so bald nach der leiblichen Geburth den 21.
Ianuarii vorerwehnten Jahrs
zur geistlichen Wiedergeburth der hei=
ligen Tauffe befördern/ und mit dem Nahmen Johann Wilhelm
benennen lassen/ und sind meine Tauff=Pathen gewesen/ Herr
Wilhelm Müller/ Kön. Schwed. Rittmeister und Freysaß zu Was=
serthalleben
/ Herr Johann Keyser/ der Gräfl. Stiffts=Schulen zu
Ebeleben Rector, und Frau Fridelena Magdalena/ Herrn Volck=
mar Happens
/ damahligen Cantzley=Directoris zu Leutenberg/ her=
nachmahls Fürstl. Sächß. Geh. Raths und Cantzlars zu Weimar/
Ehe=Liebste.

Beyde Eltern haben bey meiner Aufferziehung mich vor allen
Dingen bis ins zehende Jahr zur Gottesfurcht angewiesen/ und zu
Kirchen und Schulen fleißig angehalten/ da ich denn den Grund zur
Wissenschafft des Christenthums geleget/ und in Schreiben/ Lesen
und andern Stücken so viel erlernet/ als zu meinem künfftigen Be=
ruff und Vorhaben nöthig gewesen/ darauf im zehenden Jahre mei=
nes Alters meine liebe Mutter/ und im siebenzehenden mein lieber
Vater seel. verstorben. Weil ich nun zur Handlung Lust gehabt/ bin ich

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Anno 1670. im vierzehenden Jahre meines Alters zu meinem
Schwager/ Herrn Christian Wilhelm Schmieden/ so damahls in
Northhausen gewohnet/ und hernach Anno 1672. anhero nach Arn=
stadt
gezogen/ auf die Handlung kommen/ bey welchem ich meine
Lehr=Jahre ausgestanden/ und fünff Jahr vor einen Handels=Jun=
gen/ und hernach anderthalb Jahr als ein Diener aufgewartet.
Nachdem ich nun von dar mich hinweg begeben/ habe ich Anfangs bey
Herrn Hanß Georg Anthoni, Canditorn und Handelsmanne/ ein
halb Jahr
und dann bey Herrn Gottfried Henningen und Georg
Schubarten
/ vornehmen Seidenhändlern zu Leipzig noch zwey
Jahr
in deren Gewölbern als Handels=Diener mich aufgehalten/
hernach das dritte Jahr ihre Schulden auf dem Lande eintreiben
müssen/ worbey ich mich iederzeit treu erwiesen/ massen mein Lehr=
Brieff und Abschiede davon Nachricht geben. Weilen nun darauf
die Contagion nach bemeldtem Leipzig kommen/ so habe meine
Dienste quittiret/ und allhier bey meinem vorgemeldten Lehr=Herrn
und Schwager mich eine Zeit wieder aufgehalten/ bis ich Anno 1682.
mich mit Frauen Marthen Magdalenen/ Herrn Balthasar Zöll=
ners
nachgelassener Frau Witben in ein Christlich Ehe=Verbündniß
eingelassen/ welches ich den 8. Febr. 1682. gewöhnlich vollzogen und
in der Barfüsser=Kirchen copuliret worden/ darinnen mich GOTT
nunmehro bis ins achtzehende Jahr gnädig erhalten.

Mitler Zeit hat E. E. Wohlw. Rath allhier Anno 1692. mich
in Dero Raths=Collegium zum Bau=Herrn vorgeschlagen/ welche
Stelle mir auch würcklich conferiret worden.

Sonst hat es mir bishero an Creutz wie auch Verfolgung in
Handel und Wandel nicht gefehlet / da dann durch böser Leute fälsch=
liches Angeben an der Keyser=Brücken bey Naumburg mir 208.
Rthlr. Witgenstein. Zwey=Drittel aus meinen Gelde ausgeschossen
und unrechtmäßig hinweg genommen worden. Anno 1696. bin ich
durch Einbruch böser Leute in meinem Laden auf 2000. R[t]hlr. meiner
besten Wahren beraubet/ auch in meinen Handels=Büchern um 500.
Rthlr. durch böse Schuldner/ also zusammen auf 2700 Rthlr. in
Schaden und Verlust gebracht worden / welches harte Stände sind/
doch hat der höchste GOtt seine Seegens=Hand von mir nicht abgezo=
gen / daß ich dadurch etwa in Armuth gerathen/ dafür ich seiner Güte
allstets dancke/ und bitte/ daß er mich bis an mein seel. Ende in sei=
ner Gnade ferner erhalten wolle. Was meinen Lebens=Wandel und
Christenthum betrifft/ so bin ich freylich gleich andren Menschen ohne
Fehler und Menschliche Schwachheiten nicht gewesen/ massen ich

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vor GOtt als einen sündigen Menschen mich iederzeit erkennet/ und
zum heiligen Beichtstuhl und würdigen Gebrauch des heiligen Abend=
Mahls mich demüthigst/ wie auch zu öffentlicher Anhörung Göttli=
chen Worts/ so lange meine Constitution es zugelassen/ eingefun=
den/ auch hernach dieser Gnaden=Mittel zu Hause mit bußfertigen
Hertzen gebrauchet/ wie denn mein lieber Beicht=Vater der Herr Su-
perintend. Olearius noch letzlich am 16. April jüngsthin nach gethaner
Beicht mich tröstlich absolviret/ und zu Stärckung meines Glaubens
im hochwürdigen Sacrament des Abend=Mahls meines Erlösers
Christi Leib und Blut gereichet; gegen meinen Neben=Christen und
in Handel und Wandel habe ich mich verhoffentlich so verhalten/ daß
ichs in meinem Gewissen verantworten mir auch niemand was Un=
rechts mit Bestande nachsagen können. Bis hierher sind des seel.
Verstorbenen eigne Wort gewesen.

Betreffend nun des seeligen Herr Magens Kranckheit/ ist er
von schwacher angebohrner Constitution gewesen/ und nun von vier
Jahren her
mit hefftigen Glieder=Schmertzen im Rücken/ Lenden
und Schenckeln befallen worden/ daß auch dadurch einige Lähmung
entstanden/ mit Abgang des Appetits und Schlaffs/ und der gantzen
Natur Kräffte/ und ob Er gleich durch GOttes Gnade und fleißig
gebrauchte gute medicamenta zuweilen so viel Erleichterung gehabt/
daß Er einige Messen besuchen können/ so sind doch drey Viertel=
Jahr her so[l]che Zufälle alle hefftiger und die Natur schwächer wor=
den/ und ist darneben Husten und Engbrüstigkeit entstanden/ daß Er/
obgleich die Glieder=Schmertzen sich verlohren/ doch durch so wenigen
Nahrungs=Zugang von Tage zu Tage mehr entkräfftet worden/ so
daß alle Hoffnung zur reconvalescenz verschwunden. Wie denn
nicht zu leugnen/ daß so wohl der grosse Diebstahl/ der Ihn vor etlichen
Jahren betroffen/ als auch die binnen 6. Jahren Ihm zweymahl nah=
gewesene Feuers=Brunsten und dabey empfundenes ungemein=gros=
ses Schrecken/ zu Seines Lebens Verkürtzung nicht wenig beygetra=
gen. In Seiner etliche Jahre her Ihm zugestossenen Unpäßlichkeit
ist Er in Seinem Gott gelassen und gedultig gewesen/ und werden die
sämtl. Herren Prediger/ die Ihn fleißig besuchet/ und aus GOttes
Wort Trost zugesprochen/ attestiren/ wie Er iederzeit alles in GOt=
tes Willen gestellt/ ob er Ihn seeligst abfordern/ oder wieder aufhelf=
fen wolle/ dabey Er mit andächtigen Gebeth zu GOtt immerzu an=
gehalten/ und zu Seinem Erlöser um ein seeliges Ende/ unter andern
etliche Tage mit diesen Worten/ Ach HErr JESU komm doch/ Ach
du getreuer GOtt/ Ach JEsu/ komm/ inständigst geseuffzet/ wobey

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denn die Seinigen und Sein Geschwister immer um Ihn gewesen/
und allerhand Geistreiche Gebethe und Lieder vorgelesen/ welche Er
nicht alleine am verwichenen Donnerstage bis zum letzten Abdruck
nachgesprochen/ sondern auch noch eine Stunde vor Seinem Ende/
als Sein liebes Ehe=Weib und Geschwister ums Bette gestanden/ hat
Er zu Ihnen diese Worte geredet: Nun müst Ihr alle hier um mich
stehen und auf mich warten; worauf sie geantwortet: Es wäre
ihre Schuldigkeit/ wenn sie Ihm nur auch helffen könten/ da Er dann
recht mit einem Nachdrucke repliciret/ JEsus ist mein Helffer/ und
den soll mir kein Teufel rauben; auch so fort die Geist= und Trost=
reiche Gesänge: JEsus Christus unser Heyland/ der den Todt über=
wand/ Item: Ich weiß daß mein Erlöser lebt/ Ob ich schon hier auf
Erden etc. und andere mehr von freyen Stücken angefangen und bis
zum Ende ausgebethet/ und Seinen Erlöser um einen seel. Abschied
hertzinbrünstig angeflehet/ welch Gebeth und Seuffzer Er auch gnä=
diglich erhöret/ und Ihn mit einem höchstsanfft=seeligem Ende er=
freuet/ indem Er unter dem Gebeth und Gottseeligen Zuspruch der
lieben Seinigen bey guter Vernunfft und Zufriedenheit am verwi=
chenen Donnerstage den 11. dieses Monats Maii nachmittags gegen
fünff Uhr/ nachdem Er vormittags von Herrn M. Hedeno, und
Mitwochs vorhero von Herrn M. Oleario eingeseegnet worden/ in
Seinem Erlöser sanfft und seelig entschlaffen/ und Sein gantzes Le=
ben höher nicht gebracht/ als auf 43. Jahr/ 4. Monat und 1. Tag.

WEr wollte nun/ Geliebte und Hoch=Betrübte/ bey diesem
so wohl bereit=seeligen Abschiede/ nicht wiederhohlen/ die
schönen Worte des H. Kirchen=Lehrers Augustini, welche
Er einst an seine Wald=Brüder vernehmen lassen [a] und gesagt:
Ich wüste mich nicht zu erinnern/ gelesen zu haben/ daß derjenige
eines bösen Todes gestorben/ der die Wercke der Gottseligkeit
(also auch/ die aus wahren lebendigen thätigen Glauben herfliessende
Wercke der Christlichen Liebe und Gutthätigkeit) gern und willig
geübet hat. Und/ in seinem herrlichen Werck von der Stadt GOt=
tes/ [b] Der Tod ist gar nicht vor böse zu halten/ für welchem ein
gutes Leben vorher gegangen; Ja/ der kan nicht übel sterben/





(a) Augustin. Serm. 46. ad fratres in eremo: Non memini me legisse malâ
morte obiisse eum, qui libenter opera pietatis exercuit.
(b) Idem; I. I. de Civit. Dei. c. II. Mala morsputanda non est, quam bona
vita praecessit: non potest malè mori, qui benè vixit.

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der wohl gelebet hat. Gewißlich können und mögen wir/ mit
allem Recht und Fug/ zu solchem durch die Liebe und Gottseligkeit
bezeugten Christ=löblichen Leben/ zehlen/ und ohn allen eiteln Ruhm
in Wahrheit mit rechnen/ und erwehnen/ was der seel. Herr
Magen/ nicht allein bey seinem Leben/ an unser hiesigen Ober=
Kirch/ mit kostbahrer Beschenckung und schöner Ausschmückung
des Altars und Cantzel/ gethan/ sondern/ welches weit höher zu ach=
ten/ an so vielen lebendigen Gliedmaßen Christi/ und dessen Dienern
an Kirch und Schul/ bey Seinem Begräbniß und hernach ferner
zu erweisen/ wohlbedächtig und nachdrücklich disponiret/ auch noch
über diß/ zur Verfertigung eines gantz neuen schönen Orgelwercks/
zur Vermehrung des Lobes GOttes/ in dieses Neue Gottes=Hauß/
aus andächtiger intention, eine ansehnliche baare Geld=Summa/
vermacht und verordnet hat. Nun es wird ja alle Wohlthat/ also
auch diese/ ihre Stätte finden/ nach Sirachs wahren und unzehlich
bewährten Ausspruch/ c. XVI, 15. So lange wir/ so Gott will/ und die
Nach=Welt/ künfftig den Ton und Laut derselben zu des Allerhöch=
sten Ehr und Preiß werden klingen hören/ so wird Seiner/ des seel.
Mannes/ rühmlichen Gütigkeit dabey gedacht werden. Der Grund=
gütige GOTT/ der zeitlich und ewig Wohlthun will denen guten
und frommen Hertzen/ nach Psalm. CXXV, 4. erquicke Seine Seele/
für alle diese Mildigkeit mit unendlichen himmlischen Trost/ und
bringe auch am jüngsten Tage Seinen Leichnam aus dem in diesem
Gottes=Hause bereiteten Ruh=Kämmerlein/ nach Dessen Erwe=
ckung und Wieder=Vereinigung/ zur unendlichen Geniessung glei=
cher Freud und Seeligkeit/ in seinem himmlischen Reich. Die Hoch=
betrübte Frau Wittwe und sämtliche Leidtragende richte er kräfti=
glich auf mit seines H. Geistes Trost/ er sey Ihr Schild und Ihr sehr
grosser Lohn! Und gebe uns allen seine Gnade/ daß wir ihm in Liebe
und Leid allezeit zu Ehren leben/ an unsern Tod und Abschied stets
gedencken/ die seelige Sterbe=Kunst ehe wir sterben wohl erlernen/
auch dermahleinst/ nach heilsamer Verdauung alles Creutzes/ und
standhafter Uberwindung dieser Jammer=vollen Mühseligkeit/ ge=
trost und seelig üben/ und auch in das himmlische Vaterland die frö=
liche Heimfarth halten/ Amen! Das thue und erfülle an uns/ der
GOtt und Vater aller Gnaden/ durch Christum unsern Hey=
land/ in Kraft des Heiligen Geistes/
Amen/ Amen!