Johann Georg Heinold (1614–1691): Lebenslauf
Bibliographischer Nachweis:
Scheller, Johann: MODO JESUM SERVAVERIMUS: Der treuen Diener Christi Dreyfache Crone ..., Rudolstadt o.J., S. 48–57.
Jörg Witzel (Konzeption, Leitung und Korrektur), Christoph Althen (Texterfassung und -erschließung)
© Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, 2012
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Titelblatt

MODO JESUM SERVAVERIMUS:
Der
treuen Diener Christi
Dreyfache Crone/
bey
Ansehnlicher Leich=Bestattung
des weyland
Wohl=Ehrwürdigen/ Vorachtbaren/ und Wohl=
gelahrten HERRN
JOH.
GEORGII
Heinolds/
in die 47. Jahr treu=verdienten
Seelensor=
gers in Gleina/ im [Fürstl.] Leuchtenburgischen
Ambts=Bezirck/
so den 10.
September 1691. im Herrn entschlaffen/ und
den 14.
ejusdem in der Kirchen daselbst begraben
worden
aus Psalm. CXVI. 7.
8. 9.
einfältig gezeiget
von
M.
JOHANN
Schellern/ P. in Draken-
dorff, und der Orlamündischen Inspection Adjuncto.
Rudolstadt/
Gedrukt bey Johann
Rudolph
Löwen.
Seite 48

I. N. J.
Nun dieser dreyfachen Gnaden=Crone ist auch theilhaff=
tig worden der
Wohl=Ehrwürdige/ Vorachtbah=
re und Wohlgelahrte Herr Johann Georg Hei=
nold/ unser in GOtt ruhender Herr Senior, und in
die 47. Jahr allhier
wohlverdienter und treufleissig
gewesener Seelensorger/ wie solches der
folgende/
und ietzt abzulesende Lebens=Lauf bezeugen kan/
davon er selbsten
diesen Bericht eigenhändig auf=
gezeichnet:
SOLI DEO GLORIA!
Curriculum hocce meum sanâ mente, manuq́ue
scripsi d. Concordiae, quae erat 18. Februarii anno 1661.
Argumentum funebre
elegi iam dudum ex Psalmo
CXVI. v. 7. 8. 9.
Sey nun wieder zufrieden meine Seele/ denn
der HErr thut dir
Gutes/ etc. Ich will wan=
deln für dem HERRN im Lande der Le=
bendigen.
ICh Johann Georg Heinold/ bin von GOTT
dem Schöpffer aller Menschen/
in diese Welt
gebracht zu Rotenburg an
der Tauber in Fran=
cken/ den 9. Martii annô 1614. Mein Vater
ist gewesen Hanß
Heinold/ Bürger und Schu=
macher/ satis
notus inter suos, des Erbaren Handwercks
Seite 49

daselbsten ins 13. Jahr geschworner Meister.
Meine Mut=
ter ist eine Räbin gewesen/ Nahmens
Barbara. Als ich ein
wenig erwachsen/ haben mich
meine Eltern zwar anfangs in
die Teutsche/ hernach im neunten Jahr meines Alters in die
Lateinische Stadt=Schule gethan/ worinnen ich 13. Jahr ad
discendas literas per
VI. Classes hingebracht/ weil mir aber
mein lieber Vater eben zeitlich/ da ich noch
in secunda Clas-
se gesessen/ verstorben/ die Mutter ferner/ als eine
durch Krieg
verderbte arme Wittbe mit nichts helffen können; Als habe
ich
canendo hymnos, mit Singen/ (welches mich denn nie
verlassen) das panem & pallium
propter DEum ostia-
tim suchen/ und als ein armer Alumnus kümmerlich
behelf=
fen müssen. Sonderlich in der hefftigen infection de an-
no
1633. da ich viel mit Krancken habe ümgehen müssen/ ih=
rer über
30. besonders Schüler/ Kinder/ Parentum hono-
ratiorum, auf meinem Rücken
habe helffen zu Grabe tra-
gen. Und einmahls eines alten Herrn
Dorff=Pfarres drey
jährigen Knaben/ da niemand an gewolt/ alleine/ als man
mir
das fördere Theil des Sarges mit einer langen Hand=
quehlen an Halß
gehängt/ tragen müssen. Sonsten habe ich
viel hunderten das aufgesteckte
Leichen=Creutz vortragen/ und
helffen hinsingen/ da man die Leichnam häuffig in
grosse Löcher
eingesenckt/ und mit Sand bestreuet/ biß sie erfüllet worden.
GOtt
behüte alle fromme Christen dafür in Gnaden! Ihme
sey es auch hertzlich gedancket/
daß er mich so gnädig erhalten/
und ohne allen Schaden behütet hat. Anno 1635. ist
die
feindselige Tyllische Ausplünderung 8.
Tage lang vorgangen/
da haben mich die unbarmhertzigen Soldaten mit Füssen auf
mich springend/ übel zugerichtet. Weil ich denn endlich/ als
mir GOtt wieder
aufgeholffen/ gesehen/ dass das Schulwe=
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sen gantz distrahiret und in Abgang gebracht;
Als habe ich
mich bonis avibus mit Begrüssung/ Wissen und Willen de=
rer Herren Scholarchen von dannen gewendet/ und bin
cum testimonio Herrn M.
Johannes
Seybothi, P. L. C.
Scholae Patriae Rectoris, der
löblichen Universität Wit=
tenberg zugegangen/ und daselbst/ sub Magnifico Rectore
Cunrado
Carpzovio, J. U. D. dem Albo Academ. sub-
scribiret d. XI. August. eiusdem anni. Damit
ich mich
nun desto besser hinbringen können/ habe ich dem Choro Mu-
sico beygewohnet/ und 2. Jahr in Templo Cathedrali â
cantionibus sacris gestanden/
unterdeß mit famuliren,
bey Communitäter=Brod mich spärlich behelffen müssen.
Daselbsten habe ich gehöret/ D.
Jac.
Martini, D.
Paulum
Roeberum, D.
Johann
Hülsemann, D.
Wilhelm.
Ly-
serum. Anno
1637. war zu Wittenberg/
bey der Univer-
sität ein sehr harter Stand/ theils wegen gefährlicher
Kriegs=
Noth der Panirischen/ so die Elben= Schantze weggenommen/
viel Flecken und Dörffer um und um weggebrand/ theils auch
wegen der grossen Ernden
GOttes/ i. e. starcken infection,
da neben vielen Studenten/ auch etliche Herren
Professores,
und welches mitleidentlich zuhören/ allein in der Medicini-
schen Facultät gestorben/ D.
Joh.
Georg
Polschepher,
D.
Daniel
Sennertus, und D.
Ambrosius
Kröse/ (welche
ich neben andern in die Schloß-Kirche
daselbst helffen zu Gra=
be tragen.) Damahls habe ich mir vorgenommen/
wieder
in patriam mich zu begeben/ welches mir aber Herr D.
Hül-
semann (weiss nicht warum) damahls
als/ er in mein Stam[m]=
Büchlein den 22. Junii
ejusdem anni, ex I. Tim. 4. v. 15.
geschrieben: ἡ
προκοπὴ σου Φανερά ᾖ ἐν πᾶσιν. Fac sit per-
spectus tuus in
virtute profectus, dissuadiret und wie=
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derrathen. Darauf ist mir im October der weyland Durchl.
Hochgebohrnen ChurFürstin
und Frauen/ Frauen Hedwi=
gen/ Hertzogin
zu
Sachsen/ Jülich/ Cleve und Berg/ Witt=
ben/ HofCantorey/ in der Fürstl. Residenz Lichtenburg/
benebenst des Fürstl. Mechelburgischen
Freuleins/ so wohl
etlicher Adelichen und anderer Kinder information, gnädigst
anvertrauet worden/ welche[n] Dienst ich in die 4. jahr lang so ver=
weset/ daß nicht allein
ChurFürstl. Durchl. ein gnädiges Ver=
gnügen darob gehabt/ sondern auch
iederzeit Ihre Fürstl. Bi=
schoffl. Durchl. zu Hall meine gnädigste
Princessin und Frau/
mich unwürdig ihren lieben Praeceptorem genennet. Nach
Aufhebung der ChurFürstl. HoffStadt zu Lichtenburg/ da
alle Diener ausgedienet/ habe ich mich nach Altenburg gewen=
det/ und
daselbst 2. Jahr als ein privat Praeceptor mich auf=
gehalten/ biß auf Vorschlag und abgelegter Gast=Predigt Do-
minica Esto mihi Anno 1644. ich nach
Absterben/ Herrn
M.
Joh.
Gerbins/ sel. von Sr. hoch Edl. Gestreng etc. Herrn
Friedrich
Wilhelm
von
Lichtenhan zu Gleina/ etc. dem hoch=
löbl. Consistorio zu Altenburg praesentiret, Dominica O-
culi zur
Prob=Predigt admittiret, und Montags post Lae-
tare d. 31. Martii examiniret, zuvorhero aber den 22. Mar-
tii vociret, und den
2. April zum Pfarr=Ampt doselbst ordi-
niret/ auch von Ihre Fürstl. Durchl. den 3. Eiusdem. gnä=
digst confirmiret worden. Meinen
Anzug habe ich im 30.
Jahre meines Alters alsbald darauff an dem Heil.
Oster=Fest
vorgenommen/ den I. Feyertag
das Ampt zu Gleina/ den II.
aber zu Albersdorff gehalten/ am III. Fest=Tage/ wurden An=
dree
Kappe und sein Weib Martha nach geendigter Predigt
copuliret;
Nachmittags aber Hansen
Fischers Töchterlein
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Maria getaufft. Den 22. Iulii, obbemeldes Jahres/ habe
ich
mich auf vorhergehendes fleisiges Gebet/ und grosser Belie=
bung
beederseits Müttern/ auch dreymahlig=ergangener Pro-
clamation in der
Kirchen allhier zu Gleina/ von
dem Ehr=
würdigen Vorachtbarn und Wohlgelahrten Herrn Joachim
Wollutzen/ gewesenen Pastor zu Schlöben/ publicè copu-
liren und einsegnen
lassen/ mit der damahls Erbaren Jungfer
Barbara
Senffin/ des weyland Wohlgeachten und
Christ=
lichen Meisters/ Andreas
Senffens/ Bürgers und Schnei=
ders zu
Bürgel/ sel. hinterlassenen eheleiblichen Tochter. In
wehrenden GOtt Lob! friedlichen
Ehestande/ hat uns der
barmhertzige GOTT gnädist gesegnet/ und tauffen las=
sen/ Annam
Blandinam den 24.
April. Anno 1645. An-
nam
Barbaram, den 26.
Octobr. 1647. Annam
Catha-
rinam den 3. April. 1650. deren die erste Anna
Blandina
gestorben 1646. die andere Anna
Barbara
Anno 1666. den
20. Februarii mit Herrn
Wolffgang
Schefflern/ Pastorn an=
fänglich zu
Rießdorff bey der Dehme/ ietzt aber zu
Niedergerß=
dorff nahe
Juterbock/ copuliret, so An[n]o 1677. auch im Herrn
sanfft und selig entschlaffen/ die dritte
aber Anna
Catharina
Anno 1668. den 24. Novembr. an Herrn
Johann
Thy=
men/ Pfarrern zu Bremßnitz/ nachgehends aber nach dessen
sel. Hintritt/ Anno 1682. den 24. Novembr. an Herrn
Gottfried
Heinrich
Zembsch/ Pfarrern zu Tettau verheyratet
worden. Es hat mir aber/ wie allen Christen/ am
lieben Creu=
ze niemals gemangelt; den[n] über das/ was in drey geschwinden
infectionen, HauptKranckheiten und
hitziger Bräune/bey
gefährlichen Kriegs= und Hungers=Noth für Leibes und Le=
bens=Gefahr/ ich beydes in Patria, und denn zu Wittenberg
überstanden/ auch sonst manchen sauern
Wind wohlgefühlet;
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So hat mir GOtt zugeschickt unterschiedene
Trauer=Fälle/
indem Anno 1646. den 26.
April. mein erstgebohrnes liebes
Töchterlein sel. verschieden. Anno 1653. darauf den 15. Fe-
bruarii meine liebe Mutter/ die ich nacher Lichtenburg zu mir
kommen lassen/ und 14. Jahr Kindlich
versorget/ endlich auch
allhier den 17.
Februarii ehrlich zur Erden bestatten lassen:
Auch Anno 1655. gleichfalls
meine Schwieger=Mutter/ Fr.
Barbara
Senffin/ so ich 10. Jahr nothdürfftig verpfleget/ und
den 23. Octobris hier ehrlich begraben
lassen; Insonderheit
mein liebes Weib/ welches der Allgewaltige GOtt Anno
1678. den 8. Septembris (mit was vor
betrübtem Gemüthe
von meiner Seite gerissen/ ist leicht zu erachten) und mich da=
durch in meinem Alter in höchsten trauer=vollen Wittberstand
versetzet
hat. Zu geschweigen/ was harte Kranckheiten mei=
ne Kinder/ und Anno 1659. mein Weib
ausgestanden/ da
sie 17. Wochen gantz contract gelegen. Herodes hat mich
zwey
mahl gesucht üm zubringen/ durch böse Buben meine
eigene Pfarr=Kinder/ die aber GOtt
gehalten/ erleuchtet/ daß
sie es selbst bekannt und depreciret. Was ich auch vom
argli=
stigen Satan leiden müssen/ wie sauer ich angesehen worden/
ist
GOtt bekant/ und vielen from[m]en Hertzen unvergessen. Al=
lein der traur`/ dem GOtt in Himmel
ist todt/ GOtt lebt/ ich
trauer in keiner Noth. Anno 1661. den 2. Januarii habe ich
einen gar geschwinden und gefährlichen
Fall durch den schad=
hafften Pfarr=Boden gethan/ dabey ich mein Leben/
leicht en=
den können. Nun hilff uns HErr den Dienern dein/ die mit
deinem theuren Blut erlöset seyn/ vor einem bösen schnellen
Tod/ behüte uns lieber
HErre GOtt! Weil es aber sonst
heisset: Ein schneller und doch seliger Tod/ ist nur
ein schneller
Sprung zu GOtt/ wolt ich mir einen solchen seligen Tod au=
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genblicklich wündschen. Fiat voluntas tua!
Sufficit! tol-
le animam.
Biß hieher des selig verstorbenen Herrn Seni-
oris selbst eigene Worte.
Woraus wir sehen/ daß der
hochverdiente Heyland JEsus Christus/ diesen seinen
treuen
Diener der Gnaden=Crone gewürdiget/ er hat ihn lassen von
ehrlichen
Eltern mitten im Schoß der Christenheit gebohren
werden/ er hat ihn/ da ihn gleichsam
Vater und Mutter ver=
lassen/ aufgenommen/ und ihn in seiner Jugend
wunderlich/
doch seliglich geführet/ er hat ihn aus dem Staube gehoben/
und zum
Prediger seiner Gnaden gemacht/ und ihm in seinem
Ampt ritterlich und treulich
dergestalt beygestanden/ daß er
seinem Ampt lange Zeit rühmlich vor seyn können/ und
da in
seinen hohen Alter die Lebens=Kräffte abnehmen wollen/ hat
er es aus
Gnaden gefüget/ daß ihme Tit. Herr M.
David
Heinrich
Lincke zu einem Pfarr=Substituto ist gesetzt wor=
den/ mit welchen er sowohl zu frieden gewesen/ und so vertrau=
lich gelebet/ daß er öfftern gegen mich den Pfarrer zu Dracken=
dorff gedacht: Er dancke GOTT/ daß er
es so gefüget/ und
darauf angefangen: Sey nun wieder zu frieden meine See=
le/ denn der HErr thut dir Guts. GOtt hatte ihm Gutes ge=
than in den Ehestand/ den er 34. Jahr mit seiner seligen Frau=
en in aller
Vergnügligkeit/ geführet/ und darinen ihn nicht al=
lein mit Kindern
gesegnet sondern auch die Gnade gegeben/
daß beyde Töchter nach Vergnügen ehrlich
ausgestattet wor=
den/ von welchen er 9. Kindes=Kinder erlebet/ davon noch
8.
so lange GOtt wil am Leben/ zu deren Auferziehung GOtt
Gnade verleihen wolle.
Ja die göttliche Gnade hat es so
gütiglich gefüget/ daß wohlermelter sein Herr Pfarr
Substi-
tutus, eine Christliche Affection zu seinen Tochter=Kinde/
damahls Jungfer Christinen
Dorothen/ Herrn Wolffgang
Seite 55

Schefflers/ ietzigen Pfarres zu Niedergerßdorff Tochter/ so er
mit Frau Anna
Barbara/ des seligen Herrn Senioris liebge=
wesenen seligen Tochter erzeuget/ getragen/ und sich dieselbe
durch
Priesterliche Einsegnung ehlich trauen lassen/ von wel=
chem seinem
Tochter=Kind er zwey Pro-Nepotes, Kindes=
Kindes=Kinder erlebet/ deren
aber eines dem Herrn Elter=
Vater in der Seligkeit vorgangen/ das andere
aber noch am Le=
ben/ welches der Grundgütige GOtt wolle groß und from
zu
seiner Ehr un[d] der Eltern Freude lassen aufziehen. Weil es aber
heist: Christianus
crucianus; Als hat ihn sein Herr JEsus
auch nicht der Dornen=Crone überheben wollen/
wie sehr aber
ihn die Dornen gestochen/ wie aus seinen eigenhändig geschribe=
nen Curiculo vitae zu sehen/ so hat er dennoch allezeit seine
Seele in
Gedult gefasset und die Davidische Kunst abgelernet/
sagende: Sey nun wieder zu
frieden meine Seele/ denn der
HErr thut dir Guts. Was er seinen Zuhörern
geprediget/
hat er selbst gethan/ und nach dem Exempel des HErrn JEsu/
Act. I.
das FACERE mit den DOCERE seliglich conjungi-
ret. Ob nun gleich in seinen
hohen Alter er endlich nicht viel=
mehr in seinem Ampt [verrichten] können/ so hat er doch das be=
ste Handwerck/ wie Nazianzenus
das Gebet/ die Händ gen
Himmel nennet (χειρῶν ἔργον ἄρισον
εἰς οὐρανόν αἰὲν ἀείρειν) desto
eifriger getrieben/ und mit seuffzen/
lesen/ singen/ und heiligen
Gedancken sich allein zu GOtt gewendet/ in Creutz
seinem
GOtt stille gehalten/ bey anhaltender Mattigkeit und zuneh=
mender Schwachheit wieder seinen GOTT nicht gemurret/
sondern vielmehr Davids Sinn
behalten: Sey nun wieder zu
frieden meine Seele. Und gleichwie er in seinem
Christen=
thum eines exemplarischen Lebens sich beflissen/ und doch
darneben sich vor einen armen Sünder erkant/ und zu rechter
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Zeit das heilige Abendmahl gebrauchet; Also
hat er auch bey
seinen täglich abnehmenden Kräfften gestern am Sontag vor
drey Wochen/ sich noch das
letzte mahl dasselbe von seinem
Herrn Beicht=Vater/ dem Wohl=Erwürdigen/ Voracht=
barn und Wohlgelahrten Herrn Liborio
Wolfarth/ treu=
verdientem Seniore und
Pastore zu Löbichau reichen lassen/
welchen
theuren Schatz er dann mit sonderlicher Andacht und
grossen Hertzens Verlangen
genossen/ und nach empfangenen
diesen himmlischen Zehrpfennig/ sich frölich und
willig zur se=
ligen Reise nach dem rechten Vaterland/ daran sein JEsus
das
Blut gewand/ geschicket. Ob er nun wohl bey seiner zimli=
chen
Mattigkeit durch Gottes Gnade dergestalt gestärcket
worden/ daß er frey bekant/ er
fühle nicht eintzigen Schmer=
tzen/ so hat er sich doch inständig nach
einer seligen friedlichen
Simeons=Hinfahrt gesehnet/ und hierum seinen lieben
GOtt
sehnlich angeflehet. Als am vergangenen Donnerstage
Nachmittags/ sein Herr Sohn und Substitutus von Albers=
dorff/ alda er zu tauffen gehabt/ wiederum heim
kam/ und sich
am Bette zu seinem Haupt niederließ/ wande der liebe se=
lige Mann das Haupt und Gesichte nach ihm zur Sei=
ten/ da man denn
wahrnahm/ daß der Athem ziemlich lang=
sam und schwer gienge/ darbey sich
denn auch einig Röcheln fan=
de/ so/ daß man unschwer schliessen kunte/ es
würde das so sehn=
lich verlangte sanffte Simeons=Stündlein bald folgen/
weß=
wegen denn wohlermelder sein Herr Eydam nebst seinen Wei=
be/ Schul=Meister und andern Umstehenden angefangen
mit Singen und
Beten desto beständiger an zuhalten/ und die
durch Christi Blut so theuer erkauffte
Seele dem HErrn JEsu
anzubefehlen. Nachdem nun sein Herr Eydam und Sub-
stitutus ihm noch einsten den Kirchen Segen gesprochen/ ist er
so fort
seliglich ohne Ach und Weh/ ohne Rücken und Zücken
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des Leibes verschieden/ welches geschehen
Donnerstags A=
bends um 10.
Uhr/ da ihm dann sein JEsus die Crone des Le=
bens aufgesetzt/
und der Seelen nach dahin kommen lassen/ da
er nach Wundsch sich und
Hertzens=Verlangen wandelt für dem
HErrn im Lande der Lebendigen; Nachdem der selige
Herr
Senior allhier gewallet 77. Jahr 26. Wochen und 3. Tage/
dem lieben GOtt in
seinen Weinberge gearbeit 47. Jahr.
Selig ist der Mann!
GOtt verleihe dem verblichenen Cörper in der Erden eine
sanffte Ruh/ und am
jüngsten Tage eine selige Vereinigung
mit der Seelen/ und eine fröhliche
Auferstehung zum ewigen
Leben/ Amen! Er tröste die hinterlassenen
Hochbetrübten/
gebe ihnen seinen heiligen wohlgemeinten Willen recht zu er=
kennen/ erhalte sie in seiner Gnade/ erfreue sie nach seinem Heil.
Willen anderweit/ und helffe ihnen und uns allen/ daß wir
geschickt seyn/ mit
heiligen Wesen und GOttseligen Wandel/
damit wenn GOtt auch uns heimhohlen wil/ es
von ieglichen
[unter] uns heissen könne: Selig ist der Mann! Selig ist der
Mensch! Solches
zuerhalten wollen wir auf JEsu Ver=
dienst beten im Geist und in der
Wahrheit das hei=
lige Vater Unser/ etc.