Augusta Dorothea Reuß j.L. Gräfin zu Plauen (1678–1740): Lebenslauf
Bibliographischer Nachweis:
Alberti, Johann Martin: Jesus, der Gläubigen Auferstehung und Leben ..., Schleiz o.J., S. (43)–(62).
VD18 12657433-001
Jörg Witzel (Konzeption, Leitung und Korrektur), Kerstin Schiefner (Texterfassung und -erschließung)
© Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, 2012
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Titelblatt

JEsus,
der Gläubigen Auferstehung und Leben,
Insonderheit aber Der weyland
Hochgebohrnen Gräfin und Frauen,
FRAUEN
Augusten Dorotheen
vermählt=gewesenen Reußin,
Gräfin und Frauen von Plauen, gebohrnen Gräfin von Hohenlohe und
Gleichen, Herrin zu Greitz, Crannichfeld, Gera, Schleitz und Lobenstein,
Des weyland
Hochgebohrnen Grafen und Herrn,
Hrn. Heinrichs des Eilfften,
Jüngerer Linie und des gantzen Stammes Ältesten Reussen,
Grafen und Herrn von Plauen, etc.
Hochseligen Andenckens,
nachgelassenen Frauen Wittben,
Unserer gnädigst=gewesenen Gräfin und Landes=Mutter,
Wie solches,
nachdem Ihre Hoch=Gräfl. Gnaden nach beständig erwiesener Treue gegen ihren Heiland, in
GOtt gelassener Stille, den 9. Maii 1740. in Ihrem Witthums=Sitz zu Schleitz, sanfft und
selig verschieden
und den 18. eiusd. mit Standes=mäßigen Ceremonien in die Hoch=Gräfl. Grufft auf der Berg=Kirchen allda beygesetzet worden,
bey dem den 20.Iunii darauf, zu Deroselben letzten Ehren, angestellten ansehnlichen
Trauer= und Leichen=Begängniß,
in der Stadt=Kirche daselbst, aus den von Ihnen selbst erwählten beyden Leichen=sprüchen
Joh. 11, 25. 26. und Coloss. 3, 3. 4.
in wenigen vorstellig gemachet,
und auf gnädigsten Befehl dem Druck übergeben
Johann Martin Alberti,
Gräfl. Reuß=Pl. Hof=Prediger, Pastor und Superintendens.
Schleitz, gedruckt bey Joh. Gottlieb Maucken, Hoch=Gräfl. Reuß=Pl. privil. Hof=Buchdrucker.
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Gleichwie es in unserm gantzen Leben heissen
soll: Nicht uns HErr, nicht uns,
sondern deinem Namen gieb Ehre,
um deine Gnade und Wahrheit,
Ps. CXV, 1. also soll auch nach unserm To=
de nichts anders bey unserm Lebens=Lauff
gemeldet werden, als was GOtt an uns gethan, und wie herr=
lich er sich an uns bey unsers Lebens Ein= Fort= und Ausgange
erwiesen habe.
Das ist es dann, was die weiland Hochgebohrne Grä=
fin und Frau, Frau Augusta Dorothea,
verwittibt=gewesene Reußin, Gräfin und Frau
von Plauen, gebohrne Gräfin zu Hohenlohe und
Gleichen, unsere gnädigst=gewesene Gräfin und Lan=
des=Mutter, in gottselige Erwegung genommen, und daher
verlanget, daß man nach Ihrem Hochseligen Ableben nichts von
Ihrem Lebens=Lauffe gedencken solte, als was Sie selbst davon
zum Preiße ihres Schöpffers aufgesetzet, und darinnen seinen
Namen bey so mancherley guten Führungen, die Ihr begegnet,
verkündiget habe.
Wir wollen demnach Ihrem gnädigsten Begehren anjetzo
nachkommen, und, was Sie so wohl 1727. d. 20. Febr. als auch
1739. d. 19. Ian. von der Güte des HErrn über Sie in Ihrem
Leben zu Pappier gebracht, Ew. Liebe mit wenigem anzeigen.
Der erste Aufsatz davon lautet folgen=
der Massen:
Leben und Wohlthat hast du an mir gethan, und
dein Aufsehen bewahret meinen Odem, Hiob X, 12.
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Wie soll ich dem HErrn vergelten alle seine Wohl=
thaten, die er an mir gethan? Ps. CXVI, 12. So muß
ich billig ausbrechen, wenn ich alle das Gute bedencke, so mir der
barmhertzige Vater im Himmel in meinem Leben bewiesen hat.
Unter diesen ist nicht das geringste, daß er mich von recht Christ=
lichen und auch von der erbaren Welt hochgeachteten Eltern im
Jahr 1678. den 2. Ian. Morgens zwischen 2. und 3. Uhr, zu Lan=
genburg im Hohenlohischen auf diese Welt gebohren werden las=
sen. Es sind aber gedachte meine hertzliebe Eltern gewesen,
Herr Heinrich Friedrich, Graf von Hohenloh
und Gleichen, Herr zu Langenburg und Crannich=
feld, und Frau Juliana Dorothea, vermählte
Gräfin von Hohenlohe, gebohrne Gräfin zu Castell.*
Wie ich aber gleich andern Adams=Kindern in Sünden em=
pfangen und
gebohren: als war auch meiner hertzlieben Eltern
vornehmste Sorge, mich durch den
Bund der Heil. Tauffe GOtt
einzuverleiben, so gleich folgenden Tag geschehen, und mir dabey
der Name
Augusta Dorothea, gegeben worden.
Hatte mich nun GOtt auf diese Weise bey
meiner rechten Hand
ergriffen; so erzeigte er hernach, ehe ich noch drey Jahr alt
war,
eine besondere Vorsorge vor mich und meine übrige 9. Geschwi=
ster, indem er uns unsere so liebe und getreue Frau Mutter bey
einer recht tödtlichen
Kranckheit, und da vor aller Menschen Au=
gen wenig Hoffnung ihres Lebens
übrig war, nicht durch den
Tod entrisse, sondern wieder schenckete. Man vermahnete
mich
damahls mit den andern Geschwister vor Dieselbe zu beten; das
verrichtete
ich auch in kindlicher Einfalt, und schlosse das Gebet
mit den Worten: Mama stirbt
nicht, das Christ=Kindlein hat
mirs gesagt. Es hat sich auch bald hierauf durch
Göttliche
* Die übrigen hohen Ahnen der Hochsel. Frau Gräfin siehe am Ende dieser Per=
sonalien in einer Tabelle vorgestellet.
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Hülffe mit Ihr gebessert, und
Sie ist nach dieser Kranckheit noch
26. Jahr zu unsern Besten im Leben erhalten
worden, gestalt´
Sie dann nebst meinem sel. Herrn Vater alle Treue, Liebe und
Vorsorge an uns sämmtlichen Geschwistern erwiesen, und uns
10. Kinder bey allem
Creutz, Verfolgung und Verlust zeitlicher
Güter vor ihren grösten Reichthum gehalten,
den Sie aus der
Zeit in die selige Ewigkeit mitnehmen würde. Sonderlich gieng
Ihrer beyderseits löbliche Sorgfalt dahin, wie wir wohl erzo=
gen werden,
und zu einem unbefleckten Leibe aufwachsen möch=
ten. Denn wie Sie uns
selbst allezeit mit guten Exempeln in
vielen Tugenden vorleuchteten, auch vor allen
Lastern warneten;
so schickten Sie uns auch zeitlich zur Schule, welches denn
bey
mir so wohl fruchtete, daß ich mit dem sechsten Jahr schon fertig le=
sen
konnte. Denn es hatte mir der grundgütige GOtt einen
gesunden Verstand und gut
Ingenium verliehen, daß ich wohl
ein mehrers hätte lernen können, als gebräuchlich
war, die Töch=
ter anzuweisen, wie denn auch in mir wircklich eine
Begierde
war, mehrers zu lernen, als ich unterwiesen wurde In eben
diesen ersten
kindlichen Jahren zeigte sich an mir vielfältig, wie
der grosse GOtt auch bey jungen
Kindern sich ein Lob zuberei=
tet, indem meine gröste Freude war zu beten,
von GOttes Wort
und von dem Himmel zu hören, und hatte ich auch ein groß
Verlangen, bald zu sterben, und bey Christo zu seyn; doch fey=
erte auch
der Satan nicht, schon in meinem sechsten und sieben=
den Jahr meine
Glaubens=Freudigkeit mit schweren Gedancken
und Anfechtungen zu unterbrechen, und
dadurch den Wachs=
thum im Guten zu hindern. Darzu kamen auch
unterschiedli=
che Kranckheiten, dabey die grosse Liebe und Sorge meiner
hertz=
lieben Frau Mutter (zwar auf Einrathen eines Medici) mir
viele Unarten übersahe, welches sich dann mein alter Adam der=
gestalt zu
nutz machte, daß ich leider! mit den Jahren mehr an
Bosheit, als Tugenden, zunahm.
Aber wie groß ist nicht die
Barmhertzigkeit unsers GOttes, der mich von Jugend auf
mit
vielen Verschonen regieret, und niemahls seine Gnaden=Hand
von mir
abgezogen, sondern durch lauter Güte mich zur Busse
geleitet, mir es auf vielerley
Weise an Bestraffung, Vermah=
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nung, Warnung, Lehre und Unterricht nicht hat fehlen lassen,
mich von allen Irrungen,
als ein getreuer Hirte sein Schäflein,
zurück beruffen und in seine Arme gesammlet.
Von dieser theu=
ren Liebe meines GOttes und Heilandes JEsu hatte ich eine
be=
sondere Uberzeugung, als ich noch vor meinem zwölften Jahr
das erstemal
das Heil. Abendmahl, nach empfangenen nöthigen
Unterricht, genosse. Denn da ereignete
sich durch GOttes See=
gen die Krafft dieser Seelen=Speise recht wohl an
mir, daß ich
den Zorn und Eigenwillen mehr lernte brechen, auch meine übri=
gen Fehler und Gebrechen besser einsahe. Doch habe ich sie lei=
der! vor dem zwantzigsten Jahre nicht gnugsam erkannt und ab=
geleget, auch manche Eitelkeit nicht vor Sünde angesehen, ja nach
meinem Stande
vieles vor nützlich gehalten, das mir doch im
Wachsthum des Christenthums sehr
schädlich und hinderlich war.
Im Jahr 1699. den 5. Jun. gefiel es GOtt
durch Abster=
ben meines hertzlieben sel. Herrn Vaters, mich in den
betrübten
Waysen=Stand zu versetzen, und weil ich schon einige Monate
vorher am
Leibe baufällig worden war, so minderten sich die Be=
schwerungen bey
solcher Betrübniß keinesweges; sondern ich lit=
te am Kopff und Augen
mercklichen Schaden. Bey solchen
Heimsuchungen fieng ich erst an recht auf GOttes
Wort zu mer=
cken, und des sel. Scrivers Seelen=Schatz mit rechter Begierde
und zu vieler Erbauung und
Trost zu lesen; doch kunte auch da=
mahls das Wort GOttes noch nicht recht
Wurtzel fassen, indem
ich mich durch den Umgang mit eitel=gesinnten Leuten dann
und
wann wieder mit hinreissen ließ, und die Krafft des eingepflantz=
ten Guten hinderte.
Doch, mein getreuer GOtt, groß von Gnade und Barm=
hertzigkeit, ließ noch nicht ab, mich zu suchen, und dazu bald den
Stab Weh, bald ben Stab sanfft zu gebrauchen, auch durch
mancherley Exempel die Augen nach und nach mir zu eröffnen,
Gutes und Böses zu unterscheiden, und mein tieffes Verderben
besser einzusehen. Er gebrauchte sich auch darzu als eines ge=
segneten Werckzeugs des Herrn M. Breyers, Hof=Predigers in
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Ingelfingen, als meines damahligen treuen Beicht=Vaters, so
lange ich mich bey meiner sel. Frau Mutter auf ihrem Witthum
aufgehalten.
Diese folgete im Jahr 1706. den 5. May
meinem sel. Herrn
Vater durch den zeitlichen Tod in die Ewigkeit nach, deren schö=
nes, seliges und erbauliches Ende, wie auch hinterlassener schrifft=
licher Seegen meiner Seelen einen tieffen Eindruck gegeben, auch
eine
gute Ritterschafft zu üben, und meinem Heiland bis ans En=
de treu zu
bleiben.
Denn es setzte auch derselbe seine Treue gegen mich fort, und
nachdem mich Vater und
Mutter verlassen, so nahm er mich auf,
und ließ nicht ab seine väterliche Vorsorge an
mir zu beweisen.
Denn da es durch dessen Fügung noch bey meiner sel. Frau Mut=
ter Lebzeiten, und zwar ein Jahr vor ihrem Tode, ausgemachet
worden
war, welchem Bruder ich heimfallen sollte, und das Loos
meinen nunmehro sel.
ältesten Bruder getroffen hatte; so nahm
mich auch Derselbe nebst seiner Gemahlin recht
willig auf, und
erwiesen mir, so lang ich bey Ihnen war, mehr als Brüderliche
und Schwesterliche Treue und Liebe, ja so viel gute Versorgung
als bey meinen sel.
Eltern gehabt, und kan ich Ihnen mit Wahr=
heit nachrühmen, daß Sie mich
in den 9.
Jahren, da ich mich
bey Ihnen aufgehalten, nicht unfreundlich angesehen
vielweni=
ger mir ein unschönes Wort gegeben, welches der
Seegens=rei=
che GOtt Ihnen noch an Ihren Kindern und
Kindes=Kindern
mit geistlichen und leiblichen Seegen vergelten wolle. Es ver=
band mich gedachte Ihre Liebe um so viel mehr, mich Ihnen nach
Vermögen erkänntlich zu erweisen, darzu ich denn keine bessere
Gelegenheit fand, als
da Sie das gute Vertrauen zu mir hat=
ten, mir Ihre Töchter zu untergeben,
da ich denn Derselben mit
aller Liebe und Treue, doch in grosser Schwachheit mich
annahm,
und in das sechste Jahr mit GOtt und durch dessen Beystand
sie in ihrem
Christenthum informirete. Ich lernete hierbey mit
Ihnen, auch von den lieben Kindern
selbst vieles erst recht erken=
nen, und in meinem Christenthum besser
practiciren, habe auch
dieselbe Zeit stets vor eine Göttliche Gnaden=Heimsuchung
ge=
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achtet, in welcher er mich
erwecket, mehr und mehr einzusehen,
wie viel edle Zeit in unsern Stand verlohren
gehet, und daß wir
mit Recht singen: Das ist eine selige Stunde, darinn
man
sein gedenckt etc.
Nicht weniger muß bekennen, daß in meines liebsten seligen
Bruders Hause zugleich eine rechte Creutz=Schule gehabt, indem
es dem heiligen GOtt gefallen, Ihn und die Seinigen mit vie=
len gefährlichen Kranckheiten, und mancherley andern Leiden
heimzusuchen, woran ich denn nach der Liebe, womit mein Hertz
mit Ihnen verbunden war, meinen Theil auch empfande, auch an
Ihrem Exempel Gedult und Gelassenheit auszuüben lernete.
Aus meines hertzlieben Bruders Hause führete mich der all=
weise GOtt zu
meiner Schwester von Nassau, und zwar zwey
Jahr vorher ehe er
mich in Ehe=Stand beruffen wollte, und ließ
mich allda vorher sehen, was das
bitterste Weh, so auf eine ver=
gnügte Ehe folget, indem Sie der liebe
GOtt mit 4. Kindern in
den betrübten Wittben= und Waysen=Stand gesetzet hatte.
Nachdem nun anderthalb Jahr bey Ihr geblieben, und An=
no 1714 im October
wieder nach Langenburg kam, wo ich
mei=
nen lieben Bruder, zwar noch im Leben, aber sehr schwach an Lei=
bes=Kräfften fand, so zeigete mein treuer Vater im Himmel we=
nige Monate darnach, wie er auf meine weitere Versorgung be=
dacht
gewesen; massen er, ehe mein lieber Bruder aus dieser Zeit=
lichkeit
abgefordert wurde, meines nunmehro selig=verstorbenen
Herrn, Herrn Heinrichs des Eilfften, Jüngerer
Linie und des gantzen
Stammes ältesten Reussen,
Grafen und Herrn von Plauen, Hertz
dahin lenckete, daß
Er mich zu seiner Gemahlin erwählete, wie wir uns denn nach
heiligen Göttlichen Willen und Fügung im Jahr 1715.
den 22.
Febr. ehelich versprochen, und, als den 17. April mein liebster
Bruder selig verstorben, solch
Ehe=Gelöbniß den 8. May durch
Priesterliche Einsegnung vollzogen haben. Es ist auch bald dar=
auf von
meinem liebsten Herrn die Heimführung hieher geschehen,
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und sind wir den 30. May glücklich unter Göttlichen Beystand
hier eingetroffen. In diesem
werthen Schleitz hat mich
hierauf
der Grund=gütige GOtt und Geber aller guten Gaben, in die 11.
Jahr eine vergnügte und dabey gesegnete Ehe erfahren lassen,
massen er uns mit zwey lieben Kindern beschencket, als Anno
1716. den 15. May mit einem Sohn,
Heinrich dem XII.
und Anno
1722. den 24. Jun. mit einer Tochter, Johan=
nen Aemilien Augusten, welche theure
Pflantzen
mir der HErr mein GOtt bisher und in meinem betrübten Witt=
ben=Stand zu meiner Erquickung erhalten, der sie dann ferner
als Werckzeuge zu seines
Namens Ehren in seiner Gnade auf=
wachsen, und sie ihm vollbereiten,
stärcken, kräfftigen und grün=
den lassen wolle.
Wie aber alles in der Welt mit mancherley Leiden vermischet,
also war auch meine vor vielen tausend andern glückliche Ehe eben=
falls nicht sonder Wehe, absonderlich in den letzten Jahren. Denn
ob wohl der liebreiche Umgang und Gegenwart meines so hertz=
lich=geliebtesten Herrn alles erträglich machete; so konnte doch
ohne grosse Bekümmerniß nicht ansehen, wie dessen Gesundheit
einige Jahre abzunehmen begunte. Zwar machte mir bey mei=
ner eigenen Baufälligkeit und gefährlichen Kranckheit, so kein
halbes Jahr vor desselben seligen Ende auszustehen hatte, die
Hoffnung, es werde mich mein GOtt noch vorher aus diesem Jam=
merthal abfordern; allein es gefiel seiner Weisheit anders, und
wollte er in meiner Schwachheit, so sich innerlich und äusserlich
bey mir fande, seine Krafft verherrlichen, gestalt mich denn auch
dieselbe bey dem so plötzlichen Hintritt meines so liebsten Herrn
lediglich unterstützet hat.
Ich hatte Denselben Anno 1726. den 26.
Julii, als Er sechs
Wochen verreiset gewesen, mit Freuden wieder gesehen,
als Ihn
den 28. darauf frühe gegen 4. Uhr, da er keine
Stunde zuvor sich
geklaget, todt und erblasset vor mir sehen mußte. Wie hoch=
schmertzlich mir diese Trennung gewesen, und wie vieles mir und
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meinen Kindern durch diesen Fall abgestorben, ist
leichte zu ge=
dencken. Doch da ich mich in meinem schwersten Leiden
durch
GOttes Gnade entschloß, in Demuth seinem heiligen und ge=
rechten Willen mich zu unterwerffen, und mit meinen Kindern
seiner Vater=Treue und
Vorsorge mich zu ergeben; so erquickte
mich auch mein GOtt, wenn ich mitten in der
Angst wandelte,
und ließ mich erfahren, daß er bey mir in der Noth, auch mich
zu
seiner Zeit wieder heraus reissen würde.
Durch dessen heilige Direction muste es sich auch fügen, daß
ich bald in die Stille in mein Witthums=Haus mit meinen lie=
ben Kindern mich begeben konnte, wobey ich denn hertzlich wün=
sche, daß GOtt meinem Sohn, dem Ersten Reussen,
und dessen Gemahlin alle Liebe und Gutthaten, so Sie an
mir und meinen Kindern erwiesen, in Gnaden belohnen, und Sie
und die lieben Ihrigen davor zeitlich und ewig segnen, mir aber
Gnade geben wolle, nun als eine rechte Wittbe, die ihre Hoff=
nung auf GOtt stellet, Tag und Nacht im Gebet zu bleiben, und
meinen Kindern die kurtze Zeit meines Lebens alle Treue zu er=
weisen. Ist dann die Zeit meines Abscheidens vorhanden, so
überlasse ich Sie meinem GOtt, als dem rechten Vater über al=
les, was da Kinder heißt, der thue nicht von Ihnen die Hand
ab, sey und bleibe unser GOtt, unser Heil und Theil im Lande
der Lebendigen, Amen.
Hierauf folget der Anhang, den Ihro Hoch=
selige Gnaden Anno 1739. den 19. Jan.
gemachet.
Gelobet sey der HERR täglich, der so gnädig bis hieher ge=
holffen, ein
jeder Augenblick ist ja seiner Wohlthat Stück, wie
kan ich erzehlen, was der HERR von
Anno 1727. bis diese
Stunde an mir vor grosse
Barmhertzigkeit, Treue und Gutes
nach Seele und Leib erwiesen? Mitten in der
Züchtigung dach=
te er an seine Barmhertzigkeit, da er mich zu Ende
gedachten
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Jahres mit meinen Kindern aus
einer augenscheinlichen Lebens=
Gefahr errettete. Und als Anno 1728. erwehnte meine
beyden
Kinder sich an Masern legten, und ich mich schon damahls mei=
ner lieben sel. Tochter Endes versahe: so wurden Sie doch mir
dißmahl geschencket und
beym Leben erhalten. Aber Anno 1729.
gefiel es dem lieben Heiland, letztere, als seine Braut
durch eine
selige Auflösung heimzuhohlen, und Sie, da er Sie je und je ge=
liebet, aus lauter Güte zu sich zu ziehen. Durch diese Begeg=
niß wurde zwar hertzlich betrübet; doch auch wieder reichlich ge=
tröstet, indem ich erfuhr, daß, so ich mir an seiner Gnade genü=
gen ließ,
und ihm treu verbliebe, mir in Ihm alles ersetzet wür=
de. So bleibet denn
der HErr mein Theil, auf den ich ferner
hoffe, barmhertzig und gnädig ist der HErr,
gedultig und von
grosser Güte. Derselbe hat sich auch nicht unbezeugt gegen mich
gelassen, als mein liebster einiger Sohn zu meiner grossen Angst
und Kummer Anno 1729. gegen den Herbst von mir nach
Jena
kam, und bis Anno
1734. allda sich aufhielte. Denn weiß er,
der barmhertzige Vater am
allerbesten, wie sehr ich ihn vor dieses
meines einigen Kindes Seelen Rett= und
Erhaltung angeflehet:
so muß ich nun ihm danckbarlich nachrühmen: Gelobet sey
GOtt,
der mein Gebet nicht verwirfft, und mich manches Wunder sei=
ner Güte, Langmuth und Barmhertzigkeit hat sehen und erken=
nen
lassen.
Als ich meine bisherige Wittben=Wohnung verändern soll=
te, reißte ich
vorher 1730. nach
dem Willen GOttes noch einmal
in mein Vaterland, allwo ich von meinen lieben Brüdern,
Schwe=
stern und Verwandten so viel Liebe genoß, (die Ihnen der
liebe
GOtt an Ihnen und den Ihrigen mit reichen Seegen vergelte,)
daß ich Anno
1731. an Seel und Leib wohl erquickt, wieder hie=
her nach Hause kam. Ich traff bey solcher Zurückkunfft eine
gantz neue Wohnung an,
die so wohl eingerichtet war, und so
viel Annehmlichkeiten hatte, daß ich dabey die
gütige Vorsorge
GOttes wohl zu erkennen, und ihn insonderheit zu preisen, Ur=
sache habe, daß er meinem liebsten ältesten Sohn und seiner Ge=
mahlin nach seiner Hertz=lenckenden Krafft eingegeben, mir eine so
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anmuthige Wohnung zu bauen, dafür hoffentlich
meine selige
Schwieger=Tochter in den Häusern des Friedes ewiglich erqui=
cket wird, und meinem Sohn und seiner lieben Tochter wolle der
HErr
Gesundheit, Leben und Wohlthaten geben, und Ihnen zei=
gen sein Heil.
Doch, daß ich auch nicht die Nichtigkeit dieses Lebens, und
daß ich hier keine
bleibende Stätte habe, vergessen möge, so such=
te mich der liebe Vater im
Himmel zu Anfang des 1731sten Jah=
res mit meinem harten Zufall von Colic=Schmertzen
heim, die mich
in Ohnmachten sehr hinfällig machten, wie ich denn dieselben in
der Mitte gedachten Jahres wieder aufs hefftigste bekam, und
beyde mal dem Tode sehr
nahe zu seyn schiene. Das erstere mal
erquickte mich mein Heiland gantz ausnehmend,
in Betrachtung,
wie er vor mich am harten Creutz gestorben; denn darüber ent=
schlieff ich in einer Ohnmacht recht sanffte, und empfand, was ich
öffters aus einem bekannten Paßions=Liede gesungen: Wenn
ich einmal soll scheiden
etc.
Warum mich aber mein Heiland durch diese Zufälle noch
nicht aus dieser elenden Welt
genommen, muste ich hernach er=
fahren, als wenig Tage darauf der Herr
Vormund meines Sohns,
Herr Heinrich, der XXII. Reuß, mit Tode
abgieng, und
also gedachten meinem Sohn seine Mutter auf doppelte Art ver=
pflichtet wurde. Es leistete mir GOtt, der es so dirigiret, auch
gar
besonders dabey seine Gnade und Hülffe, ja, er erwiese sich,
daß er der Wittben Mann
und der Waysen Vater sey. Mei=
nem Sohn gab er wieder einen Christlichen
Herrn Vormund an
dem XXIX. Vetter, und seine
Barmhertzigkeit, Güte und
Gnade wendete er nicht von mir; sondern erhörete mich, so
offt
ich ihn anruffete.
Anno 1732. war
ich einige Monate bey meinem Sohn in
Jena, in Ermangelung eines
Hofmeisters, und Anno 1733. ent=
schloß ich mich mit GOtt zu einer Reise zu meiner
Schwester, der
Gräfin von der Lippe, die ich in 28. Jahren nicht
gesehen hatte.
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Sie verlangte nach mir, wie
ich nach ihr, uns mit einander in Er=
wegung seiner heiligen Wege zum Lobe
GOttes zu ermuntern.
Diese Reise geschahe gewiß nicht von ungefähr; denn es lei=
tete mich GOtt selbst dabey nach seinem Rath und an einen sol=
chen Ort, wo das Evangelium recht herrlich florirete, und seine
Krafft an Herrschafften, Lehrern und Zuhörern bewieß, selig zu
machen, die daran gläuben. Ich wurde aber zugleich hertzlich
beschämet, gebeugt und erweckt, mit mehrern Ernst GOtt um
einen solchen Glauben zu bitten, dabey ich ohne alle eigene Ge=
rechtigkeit der Krafft der Leiden und Aufferstehung meines Hei=
landes recht theilhafftig würde, um in Christo erfunden zu wer=
den, wie ich in ihm allein die Gerechtigkeit habe, die von GOtt
dem Glauben zugerechnet wird.
Eine mehrere Nachricht von dieser Führung GOttes, und
wie treulich er sich dabey
meiner Seelen angenommen, ist schon
zu selbiger Zeit von mir aufgesetzet worden;
daher mich jetzt der
Kürtze befleisse, und nur noch zum Preiß meines GOttes geden=
cke, daß seine gute Hand meinen Sohn Anno 1734. von Jena
weg
und auf Reisen geführet, auch ihn währender Zeit nach See=
le und Leib
wohl verwahret hat, daß ich billig sagen muß:
Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht,
was er dir Gutes gethan hat,
ingleichen: In wie viel
Noth hat nicht der gnädige GOtt über die Flügel
gebreitet? Sonderlich ließ er mich Denselben Anno 1738. aus
Franckreich mit vielen Vergnügen wieder
glücklich allhier sehen,
und ob wohl dieses 1739ste Jahr sich betrübt angefangen,
indem
Derselbe den Entschluß gefasset, sich weit zu entfernen, und die
Ihm
gnädigst=angebotene Dienste in Dännemarck
anzunehmen,
auch solche Reise bey gar beschwerlicher Witterung angetreten:
ey
nun, so hoffe ich doch darauf, daß GOtt so gnädig ist, und un=
ser nicht
vergessen will, mein Hertz freuet sich, daß er so gerne
hilfft; siehe, in seine Hände
hat er uns gezeichnet, ich will dem
HErrn singen, daß er so wohl an uns gethan, hier
in der Zeit
und dort in der Ewigkeit. Amen, Lob und Ehre und
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Weisheit und Danck, und Preiß und Stärcke sey
unserm GOtt und dem Lamm von Ewigkeit zu E=
wigkeit Amen,
Halleluja!
So weit gehet dasjenige, was unsere Hochsel. Frau
Gräfin zum Lobe ihres GOttes, in Ansehung der von
ihm Lebenslang empfangenen vielen Wohlthaten aufzuzeichnen
beliebet. Wir fügen billig hierbey, weil es doch auch zum Preis=
se GOttes gehöret, hinzu: Daß wie Dieselben aus GOttes
Gnaden gewesen, was Sie gewesen; also auch seine Gnade an
Ihnen nicht vergeblich gewesen. Denn Sie liessen sich solche ei=
nen kräfftigen Zug seyn, ihn immer mit starcken Glauben, brün=
stiger Liebe und heiliger Ehrfurcht vor seinem Namen zu umfas=
sen, der Sünde täglich abzusterben, der Gerechtigkeit hingegen
zu leben, und in aller möglichsten Stille vor ihm zu wandeln und
fromm zu seyn. Schickte Ihnen GOtt dabey mancherley Prü=
fungen zu, so liessen Sie sich solche zu einer Demüthigung vor
ihm dienen, und hofften in grossen Vertrauen und hertzlicher An=
ruffung seines Namens auf seine Hülffe. Machet aber das gu=
te Bezeigen gegen GOtt uns auch allezeit dem Nächsten gefällig
und nützlich; so konnte man es auch an der in GOtt=ruhen=
den Landes=Mutter in einem recht herrlichen Muster sehen.
Denn wie Sie von Jugend auf gelernet hatten, gegen Ihre Hoch=
sel. Eltern, hohe Anverwandten und andere Menschen sich in allen
wohl zu verhalten: also haben Sie auch in unsern Landen der=
gleichen rühmlichst bis ans Ende bewiesen. Ihrem Hochsel.
Herrn Gemahl begegneten Sie mit der zärtlichsten Liebe und Ehr=
erbietung, gegen Ihre Hoch=Gräfl. Kinder liessen Sie Tag und
Nacht alle mütterliche Sorgfalt blicken, damit es Ihnen an Seel
und Leib wohl ergehen möchte. Gegen alle Bedienten waren
Sie bescheiden, liebreich und sanfftmüthig, und gegen alle Men=
schen freundlich, dienstfertig und erbaulich. Sonderlich war
dieß Ihre fürnehmste Sorge, durch Ihren gantzen Wandel und
Umgang mit denen Manschen etwas zu bessern; daher Niemand
bey Ihnen lebte, oder zu Ihnen kam, oder in Ihrer Gegenwart
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sich befande, der nicht viel Gutes und nützliches aus Ihrem
Munde gehöret, und erweckt oder beschämt von Ihnen wegge=
gangen wäre. Dabey vergassen Sie nicht, auch in leiblichen
sich eines jeden Nothdurfft, der Sie um Hülffe ansprach, nach
Möglichkeit anzunehmen. Massen Sie nicht alleine von dem
Ihrigen sehr vieles zu Erquickung der Nothleidenden willig her=
gaben; sondern sich auch vor dieselben bey andern mildthätigen
Hertzen sehr intereßirten, damit ihnen in ihrem Elend geholffen
werden möchte. Wiewohl Sie endlich die Pflichten gegen sich
selbst beobachtet, und sich fleißig gehütet, weder durch verderbli=
chen Pracht, noch durch unnützen Zeit=Vertreib, noch durch
sündliche Eitelkeiten, noch durch unanständige Verschwendung
Ihrer Seele und Leib schädlich zu werden, ist bekannter, als daß
es nöthig, weitläufftig anzuführen.
Hierzu trug nun sehr vieles bey, daß Sie sich der Gnaden=
Mittel so fleißig bedieneten, wodurch GOtt sein heiliges Werck
in uns befördern will. Sie hatten eine recht ausnehmende Lie=
be zum Göttlichen Zeugnissen, und hielten Sie mit David hö=
her, denn viel tausend Stück Goldes und Silbers. Sie höre=
ten dieselben in den Vorhöfen des HErrn sehr fleißig, und offt
bey schwachen Leibes=Kräfften, erklären, gaben nach Art der from=
men Lydia sehr andächtig auf alles Acht, und schrieben auch vie=
les, so Ihnen erwecklich war, zum fernern Andencken auf; hier=
nächst forscheten Sie auch zu Hause täglich in dieser heiligen Fund=
Grube zu Ihrer Seelen Besserung, und wurden von Tag zu
Tag begieriger, die Krafft desselben in Ihren Hertzen zu schme=
cken und zu erfahren. Nach diesem Haupt=Buche erbaueten
Sie sich auch aus vielen andern geistreichen Schrifften, welche
als Bächlein aus gedachter lebendigen Quelle geflossen, wie denn
Ihro Hochsel. Gnaden eine überaus grosse Anzahl dersel=
ben durchgelesen; sonderlich aber einige Jahre her an den Schriff=
ten des sel. Herrn Lutheri ein groß Vergnügen gefunden, und
den herrlichen Glauben dieses theuren Rüstzeugs vielfältig be=
wundert haben. Erfuhren Sie auch nebst diesem, wie das
Wort GOttes hier und da in der Welt sich kräfftig erwieß, und
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das Reich GOttes dadurch unter den Menschen gebauet werde,
wie Sie denn durch Ihre fleißige Correspondentz an sehr viele
Orte, manche schöne Nachrichten davon erhielten; so wurden
Sie ebenfalls innigst dadurch erfreuet, und wusten es zu Ihrer
und anderer Erbauung allezeit anzuwenden.
Mit diesem Fleiß in dem Worte GOttes zu suchen, verban=
den Sie täglich ein ernstliches und andächtiges Gebet, als die
da wohl wusten, wie dadurch alles in Christo bey GOtt zu er=
langen sey. Sie brachten solches Opffer nicht nur offtmahls in
geheim vor ihrem GOtt, und suchten dadurch seine heilsame Gna=
de vor sich und andere Menschen; sondern hielten auch alle Tage
Ihre ordentlichen Bet=Stunden mit Ihrem Hause, und rufften
denselben nach betrachteten Wort um alles hertzlich an, was Sie
zu gesegneter Erhaltung Dero Leibes und der Seelen von seiner
Güte benöthiget waren.
Weil Sie aber auch bey sich fühleten, wie Sie von sündli=
chen Fehlern sich nicht gäntzlich rein zu sprechen hätten; sondern
Ihre Gerechtigkeit noch als ein beflecktes Kleid vor GOtt anse=
hen müßten: so kamen Sie deswegen offt gebeugt vor Ihren
Schöpffer, bekenneten ihm bußfertig Ihre Sünden, und suchten
durch den Glauben im Blute JEsu Gnade zu erlangen. Eben
dieses thäten Sie auch vielmahls mit gantz besonderer Andacht
in dem öffentlichen Beicht=Stuhl, und machten sich nach erhal=
tener Absolution des Leibes und Blutes JEsu in seinem Geheim=
niß=vollen Sacrament zu Stärckung Ihres Glaubens theilhaff=
tig, wie es denn das letzte mal von Ihnen am Sonntage Remi=
niscere in der Gemeine des HERRN mit andern Christen ge=
schehen ist.
Waren Sie nun auf solche Weise ein rechtes Fürbild einer
wahren Evangelischen
Christin; so erfolgte auch bey Ihnen, was
Paulus saget: Wer in dem Reiche GOttes
Christo
dienet, ist GOtt gefällig, und den Menschen werth.
Massen nicht
nur der höchste sich von Tage zu Tage besser an
Ihnen verherrlichte; sondern auch
Hohe und Niedere in der Nä=
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he
und Ferne eine sehr grosse Liebe und Hochachtung gegen Sie
bezeigeten. Insbesondere
ist dahin zu rechnen, daß Ihro Ma=
jest. die Königin, Sophia Magdalena, Königin zu
Dännemarck und Norwegen,
Ihro Hochsel. Gnaden
aus eigener allergnädigster Bewegniß, und als ein Zeichen
der
gantz ausnehmenden Königl. Gnade und Liebe, so Ihro Kö=
nigl.
Majest. vor die Hochselige gehabt, den hohen Königl.
Ritter=Orden de l'Union
parfaite, den Sie vor 8. Jahren zur
Erinnerung Ihro Vermählungs=Tages allergnädigst
auf Hirsch=
holm gestifftet, den
5. Octobr. abgewichenen Jahres
zugesendet,
und bey solcher Ehre besonders Dero Königl. Gnade die Hochse=
lige versichern lassen.
Wie sehr ist also nicht zu bedauren, daß dieses Licht nicht
länger uns leuchten, und uns mit seinem herrlichen Schein und
Tugend=Glantz erfreuen sollen. Denn so hat es freylich dem
verborgenen GOtt gefallen, dasselbe uns unvermuthet zu entzie=
hen, und dadurch uns allen des Guten zu berauben, welches wir
bisher in geistlichen und leiblichen davon genossen haben.
Durch was vor einen Zufall es eigentlich geschehen, davon
wollen wir die Feder des dabey gebrauchten Hoch=Gräfl. Raths
und Leib=Medici, Herrn Licentiati Schillings, in folgenden re=
den lassen:
Von der letzten Kranckheit unserer weyland gnädigsten, nun=
mehro aber
Hochsel. Frau Gräfin Hoch=Gräfl.
Gnaden ist zugedencken: Daß Dieselben vom
Anfang dieses
Früh=Jahres und so fort immer über viele Kopff=Schmertzen ge=
klaget, welche Sie allezeit des Nachmittags stärcker, als des
Vormittags, angegriffen. Sie suchten sich zwar nebst dem Ge=
brauch
verschiedener Artzney=Mittel am 16. April
durch eine A=
derlasse solche zu mindern; alleine es erfolgete die
gewünschte
Besserung nicht darauf, sondern es griffe Sie gedachter Kopff=
Schmertz je länger je hefftiger an, daß Sie auch um deswillen
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an den Heil. Oster=Feyertagen den öffentlichen
Nachmittags=Got=
tesdienst nicht besuchen kunten. Am 22. April bekamen Sie Hei=
scherkeit, Husten und Schnupffen, wiewohl ohne genugsame Ab=
lösung,
darbey ein krampfigtes Ziehen im Genick, und eine aus=
nehmende Schwäche
und Spannen in der lincken Schulter so
wohl, als auch den übrigen Theilen der lincken
Seite, welches auch
verursachete, daß Sie am 27. eiusd. beym Aufstehen von der Ta=
fel in das Zimmer
niedersincken mußten. Tags darauf schiene
zwar die Natur einige Erleichterung durch
einen starck=fliessenden
Schnupffen zu würcken; alleine es war solches nur eine
crisis im-
perfecta, indem sie nicht länger, als desselben Tages, daurete,
und
über dieses noch Anlaß zu einem nachfolgenden Fluß=Fieber gabe,
welches auch
von derselben Zeit an bis an Ihr seliges Ende be=
ständig fortwährete. Am
29. April bekamen Sie Brechen, Schlu=
cken, und drey starcke Paroxysmos von einem Spasmo maxillae
inferioris, worauf so dann eine Atonia vesicae und solche Mat=
tigkeit
erfolgete, daß Sie von daher nicht mehr vermögend waren,
alleine umgehen zu können,
Sich auch darnach meistens im Bette
aufhalten musten. Man war hierbey eines
würcklichen Schlag=
Flusses halber sehr besorgt; doch kam derselbe niemals
völlig zum
Stand, weil alle übrigen Theile des Leibes empfindlich und brauch=
bar blieben. Es zeigten sich auch zuweilen Intervalla lucida, wel=
che zu einer völligen Erhohlung Hoffnung machten, zumal da der
Appetit
und die Nacht=Ruhe insgemein zulänglich vorhanden
waren, jedoch hatten sie niemals
lange Bestand, vielmehr mußte
man erfahren, daß sich beym Erwachen vom Schlaf
allezeit die
Mattigkeit und Schmertzen erneuerten, und zwar entweder im
Kopff
oder Genick, oder auf der lincken Schulter. Die bey Ihro
Hochsel. Gnaden
sonst ausnehmend gute Erinnerungs= und
Überlegungs=Krafft nahm hierneben von
Tagen zu Tagen ab,
und stellete sich dagegen ein affectus soporosus ein, indem
Sie,
ob Sie schon zuweilen ermuntert zu werden schienen, dennoch
bald wieder in
eine Schläffrigkeit hingerissen wurden. In wel=
chen Abwechselungen Sie
denn bis den 7. May verblieben,
von der
Zeit an aber wenig mehr reden konnten, und in der größ=
ten Mattigkeit mit
geschlossenen Augen und vieler Hitze fast un=
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beweglich liegen blieben, ausser, daß Sie zuweilen
spasmos in den
Fingern und in untern Kinnbacken empfanden, jedoch keine würck=
liche Lähmung der Glieder bekamen. Hierauf fande sich am 8.
May Mittags gegen 11. Uhr pulsus intermittens; die
äusserlichen
Sinne so wohl, als auch die Sprache ceßirten, und Sie konnten
nichts mehr von Speisen, Tranck oder Medicamenten zu sich neh=
men,
dagegen kam eine respiratio anhelosa und sudores colliqua-
tivi, in
welchen Umständen Sie auch bis den 9. May
beständig
verblieben, als an welchem Nachmittag gegen 4. Uhr anfänglich
die
lincke, so dann auch die rechte Seite erkaltete, die Respiration
je länger je
schwächer wurde, und endlich Abends halb 6. Uhr ei=
ne selige und sanffte
Auflösung erfolgete, und die von JEsu theuer
erlösete Seele wieder in seine Arme
geliefert wurde.
So weit gehet der eingeschickte medicinische Bericht, in welchem
wohl geschlossen wird, daß durch eine sanffte Auflösung die
von JEsu theuer erlösete Seele der frommen Landes=Mut=
ter wieder in seine Arme geliefert worden.
Denn wie Sie in ihrem bisherigen Leben einen rechten guten
Grund auf das Zukünfftige geleget hatten, daß Sie bey dem Aus=
gang aus dieser Welt das ewige Leben ergreiffen möchten; so blie=
ben Sie auch Ihrem Heiland getreu bis in den Tod, und jagten
nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, so uns vorhält die
himmlische Beruffung GOttes in Christo JEsu. Sie waren zwar
willig, wenn es GOtt gefällig, und er Sie weiter als ein Werck=
zeug zu seines Namens Verherrlichung brauchen wolle, noch fer=
ner im Fleische zu bleiben, weil Sie meinten, Sie könnten der faulen
Tage noch genug im Grabe haben; doch weigerten Sie sich auch
nicht, GOtt aus dieser Welt gerne zu folgen, und zu den bessern und
seligern Leben zu ihm einzugehen; gestalt Sie denn, als Sie bey dem
erstern Besuch ihres Beicht=Vaters befraget wurden: Ob Sie
auch willig wären diese Zeitlichkeit zu verlassen, wenn
GOtt über Sie gebieten wollte? recht Christlich antwor=
teten: Ich wüßte nicht, was mich aufhalten sollte, mei=
nem guten Hirten nachzugehen, bey dem ich Leben
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und volle Gnüge habe, und ein ander mal bekenneten Sie:
Sie wünschten nichts mehr, wenn Sie sterben soll=
ten, als daß es in der Woche geschehe, da von diesem
guten Hirten geprediget werde, damit Sie auch als
sein Schäflein ihm zugeführet würden, und nun da=
heim bey ihm seyn könnten. Denn es sey Ihnen das
Evangelium von demselben allezeit besonders erweck=
lich in Ihrer Seele gewesen. Sie schickten sich auch wäh=
render gantzen Kranckheit so zu demselben, daß man einen recht
seligen Wechsel bey Ihnen vermuthen konnte. Sie liessen sich fleis=
sig aus der Heil. Schrifft, sonderlich den Psalmen Davids, die
Sie recht sehr geliebet, etwas vorlesen, auch mit sich andächtig zu
GOtt, nach den Umständen, in denen Sie sich befanden, beten und
seuffzen. Da Sie auch ihr Beicht=Vater, der Herr Superin=
tendens, nebst seinen sämmtl. Herren Collegen, in Dero letzten
Stunden offtmahls besuchet, und aus GOttes Wort zu stärcken
gesuchet, haben Sie es allezeit wohl aufgenommen, und ohnerach=
tet Sie, grosser Schwachheit halber, nicht viel sprechen können,
dennoch lauter solche Worte von sich hören lassen, welche von dem
guten Schatz ihres Hertzens zeugeten, und einen freudigen Glau=
ben an GOtt, Christl. Gelassenheit und zuversichtliche Hoffnung
des ewigen Lebens anzeigeten. Unter dieser Sorgfalt vor Ihre
Seele vergassen Sie auch nicht der Liebe gegen Ihren Nächsten.
Als Sie von Ihrem Herrn Sohn, des gnädigsten Ersten
Herrn Hoch=Gräfl. Gnd. und Dero hertzgeliebtesten
Gräfin Tochter, ingleichen von der gnädigsten Köstritzer
Herrschafft auf Ihrem Krancken=Bette besuchet wurden, hat=
ten Sie darüber ein recht grosses Vergnügen, und ertheilten Ih=
nen sämmtl. aus der Fülle Ihres Hertzens sehr vielen Seegen von
dem Allerhöchsten. Sonderlich machten Sie sich am 4. May,
wie dort Jacob, starck, und nahmen alle Ihre Kräffte zusammen,
da Hochgedachte unsere gnädigste Gräfin von Ihnen Ab=
schied nehmen wollte; denn da stimmeten Sie nicht nur mit den
Anwesenden das erbauliche lange Lied: Mein Hirt ist gut,
an, und sungen es hertzhafft hinaus; sondern Sie nahmen auch
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daraus Gelegenheit, Ihnen diesen treuen Hirten recht herrlich an=
zupreisen, auch darauf in einem vortrefflichen Seegens=Wunsch
Sie seiner ewigen Treue und Vorsorge zu übergeben, welches dar=
auf nach Ihrem gnädigsten Begehren der anwesende Beicht=Vater
in ein Gebet bringen, und diesem guten Hirten vortragen muste, wel=
ches er wolle in Gnaden erfüllen, und in vollen Maaß auf unsere
theuerste Gräfin kommen lassen. Kamen hiernächst auch an=
dere Personen zu Ihnen, und besuchten Sie mit Bezeigung ihres
unterthänigsten Mitleidens, so gaben Sie jedem kurtze und nach=
drückliche Ermahnungen, und befahlen Sie der Gnade ihres GOt=
tes, wie Sie denn auch so gar diejenigen Kinder, die Sie bisher eine
Zeitlang in ihrem Christenthum in hertzlicher Liebe unterrichtet,
noch zu sich kommen lassen, sie zu allem Guten ermuntert, und vor
ihr Bestes zu GOtt geseuffzet. Sehr liebreich war auch Ihr Ver=
halten gegen alle diejenigen, welche Ihrer Hoch=Gräfl. Gna=
den auf Ihrem Siechbette mit Bedienung und Pflege an die
Hand giengen. Sie waren Ihnen auf keinerley Weise beschwer=
lich, indem Sie sich stets ruhig und stille bezeigten, und wenn Sie
auch einige Mühe verursachten, so war es Ihnen allezeit leid, und
wünscheten vielmals, daß es ihnen nicht schaden möchte.
In dieser guten Verfassung sind Ihro Hochsel. Gnaden
geblieben bis an Ihr Ende, und haben also Glauben und gut Ge=
wissen behalten. Es hat daher auch der liebe Heiland solches En=
de gut und selig werden lassen. Denn ob es sich gleich mit demsel=
ben in etwas verzogen, so hat er dabey Ihre Sinnen gebunden,
daß Sie des Todes Bitterkeit keinesweges empfunden, sondern
ohne zu wissen, wie Ihnen geschehen, dieses Zeitliche verlassen. Sie
sind in solchem Zustand fleißig und offt Ihrem guten Hirten in hertz=
lichem Gebet von denen gegenwärtigen Predigern übergeben, und
seiner Gnade zu einer seligen Erlösung anbefohlen worden. Sol=
che erfolgete auch am abgewichenen 9. May, als Sie Abends um
halb 6. Uhr, unter nochmahliger Priesterl. Einsegnung des Herrn
Superintendenten, Ihren Geist gantz ruhig und sanffte aufgaben,
und zu Ihres HErrn Freude eingiengen, nachdem Sie in Ihrem Le=
ben rühmlichst erreichet 62. Jahre, 3. Monate, 3. Wochen und 5.
Tage.