Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

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Andreas Reyher (1601–1673): Lebenslauf

Titelblatt

Die gewüntschte Veränderung/
Welche sich mit den gläubigen Christen in ihrem Tode zuträget/
Bey ansehnlicher
Leich=Bestattung
Des weiland
Wol=Ehrnvesten/ Groß=Achtbarn und Hoch=Wol=gelahrten
Herrn
M. ANDREAE
Reyhers
/
Weitberühmten Philologi, und umb das all=
hiesige Gymnasium wol=verdienten
RECTORIS,
Welcher nach außgestandener hefftigen Kranckheit in seinem
liebsten Heylande JEsu CHristo Mittwochens den 2. Aprilis des
1673sten Jahrs selig entschlaffen/ und Freytags/ den 4. eiusdem in
Volckreicher Versamblung Christlich
beygesetzet worden;
Aus dem 14. Cap. der Offenb. Joh. v. 13.
Vermittels einer darbey gehaltenen Leich=Predigt
vorgestellet Von
JOH-CHRISTIAN. Gottern/ Superint.
GOTHA/
Gedruckt durch Christoph Reyhern.
Im Jahr 1675.

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Lebens=Lauff.

Daß wir nun auch eurer
Christlichen Liebe einen vergnüglichen
Bericht von der Ankunfft und Geburt/
wie auch hernach geführten Lebens=Lauff
in währenden Studiis, wie auch Ehren=
Stande/ so wol darbey Christlich geführ=
ten Ehestande/ und endlichen den seligen Abschied unsers in
CHristo verschiedenen Herrn Mit=Bruders und gewesenen
Rectoris, erstatten; So wolle Eure Christl. Liebe ihr nicht
entgegen seyn lassen/ solches aus seinem eigenen Hand=Buch

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oder Autographo folgendermassen zu vernehmen. Seine
Worte lauten also:

Ich M. ANDREAS REYHER bin geboren im
Flecken Heinrichs in der Fürstl. Graffschafft Henne=
berg/ nahe an Suhl gelegen/ im Jahr CHristi 1601. den
4. Maji
/ gleich Mittags zwölff Uhr. Den 5. Maii bin
ich durch die Heilige Tauffe dem HErrn CHristo/ meinem
einigen Heyland/ durch Herrn Georg Wagnern/ Pfarrern
daselbst/ einverleibet worden/ durch den Tauff=Paten An=
dream Wernern
/ Weinführer allda.

(1.) Mein lieber Vater ist gewesen Michael Reyher/
ein alter/ auffrichtiger und ehrlicher Mann/ des Raths da=
selbsten/ welcher in dem 77. Jahr seines Alters/ Anno 1634.
den 15. Octobris
, bey dem erschrecklich= und feindlichen Ein=
fall in die Herrschafft Henneberg/ in der Flucht auff dem
Domberg bey Suhl sein Leben neben vielen andern gelassen/
und selig verstorben.

(2.) Mein Groß=Vater ist gewesen Jacobus Rey=
her
/ auch des Raths daselbst. Die Groß=Mutter vom
Vater hat geheissen Barbara/ deren Vater Cyriacus
Tenner
geheissen/ ein Weinführer mehr gedachten Orths
Heinrichs/ auch des Raths. Diese meine Groß=Mutter
habe ich auch in meiner Kindheit gekennet.

(3.) Meine liebe Mutter ist gewesen Ottilia/ Herrn
Wolffgang Albrechts/ Schultheisen zum Heinrichs Toch=
ter/ welcher/ als mir in meiner Kindheit erzehlet worden/ von
einem Schrecken/ so er im grossen Brand 1590. zu Suhla
empfangen/ verstorben. Diese meine liebe Mutter/ eine recht
fromme und Gottselige Frau/ hat nach eilff=jähriger schwe=
ren Kranckheit an einem Schenckel im Jahr 1619. den 19.
Maii
/ ihr Leben seliglich beschlossen.

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(4.) Von diesen meinen lieben seligen Eltern/ und
sonderlich von der Mutter/ bin ich von Kindheit auff zur wah=
ren Gottesfurcht und der Schulen/ (daß ich auch mich nicht
entsinnen kan/ wenn und wie ich erstlich in die Schulen kom=
men/ gleich ob ich gar darinnen geboren were/) gehalten wor=
den/ und zwar biß in das dreyzehende Jahr meines Alters zum
Heinrichs verblieben/ allwo ich lesen/ schreiben/ und zimlich
figuraliter singen gelernet. Als nun zum Fuhrwerck und
Pferden ich gantz keine Beliebung hatte/ war mein lieber Va=
ter gesonnen/ mich nacher Magdeburgk/ zur Kauff=Handlung
zu verschicken/ allworzu auch eine Gelegenheit sich ereignete;
weil aber in der Rechen=Kunst ich noch unerfahren/ auch die
Lateinische Sprache in etwas zu ergreiffen/ wurde ich nacher
Suhla geführet/ und daselbsten in die Schule introduciret/
solcher gestalt/ daß täglich Morgens von Hauß ich außgien=
ge/ und Abends wieder anheim wanderte. Welches ich mit
besonderm Lust biß ins andere Jahr also continuiret.

(5.) Im Jahr 1616. den 8. Ianuarii bin ich auff An=
trieb und Einrath meines Schwagers Andreae Mölings/
von Breitenbach bey Schleusingen/ von meinem lieben Va=
ter nach Schleusingen geführet/ und dem damaligen Rectori,
Herrn M. Iacobo Sorgern/ (deme ich nach 16. Jahren
und 11. Monaten darauff in Rectoratûs officio immediatè
succediret/) commendiret/ und wegen etlicher Hinderung
nur ein wenig examiniret/ und in Ansehung meines Alters
in Tertiam Classem eingewiesen worden.

(6.) Allwo/ und in folgenden Classibus durch GOt=
tes sonderbahre Gnade/ treuen Fleiß der Praeceptorum und
eigene Ubung in sechs Jahren in Studiis so viel proficiret/
daß ich Anno 1621. den 26. Novembris, nachdem ich zuvor
von meinen Praeceptoribus günstiges Erlaubnis erhalten/ und

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gebührenden Abschied genommen/ aus meinem Vaterland
nacher Leipzig auff die berühmte Universität daselbst mich er=
hoben/ und allda den 1. Decembr. gegen Mittag glücklich
angelanget.

(7.) Und dieweil damals das leichte Geld und Kipp=
Wesen in vollem Schwang gienge/ und ich gar einen gerin=
gen Vorrath/ als nicht viel über einen halben Rthlr. so da=
mals viel schiene/ bey mir hatte/ hingegen alles auff das theu=
reste zu seyn schiene: Als schickte es der liebe GOtt sonder=
lich/ daß durch treue Commendation Herrn Heinrich Dinck=
lers
von Ilmenau zu Herrn Georg Wincklern/ berühmten
Handelsmann in Leipzig ich befördert würde/ da gegen In-
formation und andere Auffwartung ich freyes Außkommen
haben und die böse Kipper=Zeit/ wie sie genennet wurde/ auß=
dauren könte.

(8.) Inmassen denn ich die Zeit meines Lebens von da
an billig rühme und mit Danck erkenne/ die vielfältigen Gut=
thaten/ welche mir bey wolermeldtem Herrn Wincklern und
sonderlich dessen Hauß=Frauen/ einer recht Gottfürchtigen
Weibs=Person/ wiederfahren also/ daß ich neben der Infor-
mation der Kinder auch andere müheselige Verrichtung/ so
mir auffgetragen worden/ in schuldiger Danckbarkeit mit
Lust und gutwillig auff mich genommen/ und nicht gescheuet/
gestalt denn solcher Fleiß in Informando in zweyen unter=
schiedlich gedruckten Leich=Predigten gerühmet worden.

(9.) Weil denn durch diese Vermittelung der treue
GOtt auch wunderlich es geschicket/ daß in Studiis conti-
nuandis ich auch noch fortkommen können/ habe ich Anno
1625. den 24. Septembris
, als ich zuvor den löblichen Statu-
tis Facultatis Philosophicae gemäß mich angemeldet/ und
primam Philosophiae lauream begehret/ selbige an besag=

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tem Tage publicè erhalten/ und bin Baccalaureus Artium &
Philosophiae creiret worden.

(10.) Anno 1627. den 25. Ianuarii habe ich anderweit
praemissis praemittendis supremam Philosophiae lauream
erlanget/ und bin Philosophiae Magister creiret worden.

(11.) Demnach die löbliche S[t]atuta Facultatis Philo-
sophicae bey offt wolermeldter Leipzigischen Universität ver=
mögen/ daß die neu=creirte Magistri durch eine Disputatio-
nem publicam praesidendo sich habilitiren müssen: Als ha=
be ich die Disputationem de Terra in meiner Bibliotheca be=
findlichen/ die Maii 5. dati anni 1627. publicè abgeleget.

(12.) Damit nun mein von dem treuen GOtt mir
vertrautes Talentulum in informando vielen zu gut ich
anwenden mögte/ und nunmehr docendi copiam rechtmäs=
sig erhalten; Hat sichs abermal durch GOttes wunderbah=
re Schickung zugetragen/ daß ich meine vorige Condition
bey Herr Wincklern/ deren ich in das sechste Jahr vorge=
standen/ geändert/ und ein eigenes Museum auff dem neuen
Collegio gemiethet/ unterschiedliche Collegia Philologica &
Philosophica publicè intimiret/ und solche durch Göttliche
Hülffe und Beystand zu Ende gebracht/ wannenhero der lie=
be GOtt mir so viel bescheret/ daß ich mein ehrliches Auß=
kommen reichlich haben können.

(13.) Im Jahr 1629. nachdem der Groß=Achtbare
und Hoch=Weise Herr Friederich Major auff Plausingk/
ältester und Hoch=verdienter Bürgermeister zu Leipzig/ mich
zuvor unterschiedlichen ersuchet/ habe ich mich zu seines Jüng=
sten Sohnes Johan[n]is Privat-Information bestelle[n] lassen/ und
den 7. Septembris den Anfang gemacht/ allda ich denn neben
einem jährlichen Salario von 20. fl. freyer Kost/ und anderer
nothdürfftiger Unterhaltung mein bequemes Außkommen ge=

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habt/ und in Warheit nichts anders/ als aller kindlichen
Gutthat genossen.

(14.) Habe darneben auch nichts desto weniger an=
derer fürnehmer Leute Kinder in ziemlicher Anzahl zu unter=
richten gehabt/ und in meinen privatis Collegiis fortgefahren.

(15.) Damit ich aber mein selbst Bestes auch ferner=
weit bedächte/ habe ich das Studium Philologicum und Theo-
logicum zu persequiren im Namen GOttes mir fürgesetzet:
und dannenhero gantzer acht Jahr continuè, von Anno 1623.
biß 1631.
den weitberühmten Theologum, Herrn D. Hein-
ricum Höpffnerum
, &c. privatim gehöret/ unter selbigem
etliche Disputationes ex Chemnitii Locis, & Concilii Tri-
dentini Examine, item Controversiis Iesuitae Maieri pri-
vatim gehalten/ auch in einer solenissima publicè den 19.
Aprilis Anno 1631.
& quidem Tertiâ wider gedachten Jesui=
ten de Justificatione Hominis peccatoris coram DEO, re-
spondiret.

(16.) Weil ich auch gäntzlich mir fürgesetzet/ bey der
Universität Leipzig meine Lebens=Zeit zu zubringen/ und all=
da dem lieben GOtt und Nechsten zu dienen: Als habe auff
Hochgedachten Herrn D. Heinrici Höpffneri Anmahnung
und des fürnehmen Mathematici und Philologi Herrn M.
Wilhelmi Aviani
, Fac. Phil. Assessoris und Rectoris Scho-
lae Senatoriae Thomanae, meines treuern Hertzens Freundes/
mich in Collegio Philosophorum zu habilitiren den Anfang
gemacht/ und das erste mal pro loco eine Disputationem pu-
blicam sine Respondente, wie bräuchlich/ gehalten den 18.
Aprilis Anno 1630.
de Stellis fixis; Das andere mal aber
den 8. Maii Anno 1630. de Luna.

(17.) Demnach hierauff auch die gebräuchliche Cen-
suram bey der löblichen Facultät ich entstanden/ und das je=

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nige/ was dero Satuta Concilii Philosophici erfordern/ durch
GOttes Gnade verrichtet/ bin ich den 19. Martii Anno 1631.
unanimi Consensu Professorum & Assessorum in Nume-
rum Collegarum auff= und angenommen worden.

(18.) Kurtz hernach wird mir Anno 1632. ohne alles
Vermuthen de Dato 19. Aprilis von M. Wolffgango Sebero,
Superintendente & Consistoriali Hennebergico ein
Schreiben/ (welches in einem sonderbahren Buch in folio,
Beruffs=Acta genant/ in Originali befindlichen fol. 8) zu=
gefertiget/ und darinnen gemeldet/ welcher gestalt von Chur=
und Fürstl. S. Hennebergischer Regierung und Consistorio
Ich zum Rectore der Hen[n]ebergischen Land=Schul zu Schleu=
singen
designiret und begehret würde/ daß ich ehesten solches
Officium zu bedienen/ mich in Patriam erheben solte.

(19.) Als ich aber dadurch meiner Intention, wenn
ich die Hennebergische Condition annehme/ entgegen zu seyn
vermeinete/ und in meinem Gemüthe sich grosser Zweiffel er=
eignete; Habe ich durch eine Antwort/ auff acht Monat
Auffschub begehret/ und denn mich zu stellen/ erkläret.

(20.) Worauff denn de Dato 20. Iunii von ermeld=
tem Herrn Sebero, ich ein anders Schreiben/ erhalten/ wor=
innen ich ferner mich zu stellen/ ermahnet wurde/ (wie in Ori-
ginali zu sehen fol. 12.

(21.) Demnach aber ich noch nicht abzukommen Ge=
legenheit hatte/ gabe ich anderweit durch Antwort=Schreiben
zu verstehen/ (Besage der Copiae fol. 13.) wie ich der voll=
ständig solennischen Vocation noch erwarte.

(22.) De Dato 29. Iunii werde ich von dem Ephoro
Gymnasii Herrn D. Samuele Zeehnero, Pastore Schleu-
singensi
abermals humanissimè auffgefordet/ wie das Ori-
ginal fol. 14. weitläufftig besaget.

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([2]3.) Hierauff antwortete ich/ copialiter [fol. 15.]
(24.) Endlichen empfahe ich durch einen eigenen Bo=
then die de Dato 12. Iulii vom Chur= und Fürstl. Sächs.
Hennebergischen Consistorio außgefertigte solennische Vo-
cation, in Originali, als fol. 17. befindlichen/ welche ich als
verè divinam mit hertzlichen Danck gegen Göttliche Provi-
dentz erkennet und acceptiret.

(25.) Ob nun zwar ich mich lieber eher auff den Weg
gemacht hätte/ hat es doch wegen der damalich abermals höchst=
gefährlichen Krieges Gefahr nicht fügen wollen/ biß endlichen
zehen Tage nach der Lützischen Niederlage der Ligistischer Ar=
mee/ (als den 16. Novembris, eben an dem Tage/ da vor 11.
Jahren aus Leipzig mir geschrieben worden/ wie fol. 3. in O-
riginali zu sehen/ daß ich dahin mich begeben solte/) bey mei=
nem Herrn Hospite Abschied nahme/ doch/ weil wegen der
zweiffelhafftigen Krieges=Noth man nicht wissen konte/ wo
endlichen der allein weise GOtt sicheres Bleibens schicken
würde/ mit Versprechung des Wiederkehrens. Bin dero=
halben im Namen GOttes fortgangen und mit grosser Ge=
fahr auch Beraubung endlichen den 26. Novembris zum
Heinrichs in Patriam wieder glücklichen angelanget/ auch eben
an dem Tage/ da vor 11. Jahren ich von dar nacher Leipzig
Abschied genommen.

(26.) Den 28. Novembris habe für der wol=löblichen
Regierung und Consistorio zu Meinungen ich mich gestellet/
und bin zum Rectore Gymnasii Hennebergici angenommen
und confirmiret worden/ auff die jenige Puncta/ welche auff
mein gebührendes Suchen mir zugestellet worden/ und in O-
riginali fol. 24. & seqq. der Vocations-Acten zu befinden.

(27.) Den 10. Decembris des zu End lauffenden 1632.
Jahrs
bin ich zu Schleusingen solennissimè in Gymnasio

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dem Caetui Scholastico commendiret und introduciret
worden.

(28.) Diesen meinem Officio habe in eusserster Kriegs=
Noth/ wie mehr denn zuviel bekannt denen/ so selbiger Zeit zu=
gegen gewesen/ nach dem Vermögen/ welches mein treuer
GOtt mir aus Gnaden verliehen/ vor zu seyn mich bemühet/
biß in das Jahr CHristi 1639. Da denn ohne alles mein
Suchen und Vermuthen ein Wol=Edl. Hochweiser Rath der
Stadt Lüneburg mich zu einem Rectore der S. Iohannis-
Schul daselbst designiret und endlich auch vociret/ wie sol=
ches weitläuffig Acta und Urkunden besagen.

(29.) Alldieweil denn der jämmerliche Zustand des
ruinirten Hennebergischen Landes mich bewogen/ solche ehr=
und ordentliche Vocation nicht allerdings in Wind zu schla=
gen/ mir auch von Wollöblicher Hennebergischer Regierung
und Consistorio solche Gelegenheit in Augenschein zu neh=
men/ hochgünstig gerathen und vergünstiget wurde/ wie zu
sehen in den Actis; Als habe ich mich im Namen der H. Drey=
Einigkeit den 10. Martii Anno 1640. sambt einem Famulo,
und der Hamburger Post auff die Reise gemacht/ und bin den
19. Martii
Morgens 7. Uhr in Lüneburg glücklich einkom[m]en/
und alsobald darauff von einem Wol=Edl. Hochweisen Rath
in Diversorio bewillkommet/ und ehrlich versorget worden/
wie ich solches in einer Inscriptione Margaritae Philosophi-
cae editionis quartae danckbarlich rühme.

(30.) Ob nun zwar selbigen Orths mir grosse Ehre
und alles Liebes und Gutes wiederfahren/ solcher gestalt/ daß
solches zu rühmen/ ich nimmermehr vergessen werde: So
hat mir doch ein Collega der gedachten Johannis Schule/ da=
hin ich zum Rectore beruffen/ grossen Streit und Ungemach/
wiewol zu seinem eigenen Verderben/ zugezogen/ inmassen

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die Acta foliis 90. 92. (b) 94. (b) 99. (b). 105. beweisen.

(31.) Indessen habe ich Anlaß bekommen/ GOttes
wunderbahrer Direction in etwas besser nachzusinnen/ be=
sonders weil unterschiedliche Avocatoria, nach dem zu Lüne=
burg
den 23. Aprilis 1640. nullo exemplo alio, ich solen-
nissimè investiret worden/ mir zukommen: Massen denn
in Originalibus zu ersehen/ fol. 101. 102. 103. 104. von mei=
nen Leuten/ fürnemblich aber von dem Herrn Ober=Auffse=
her in Henneberg laut Orig. fol. 79. und meines gnädigsten
Fürsten und Herrn/ Herrn Ernsten Hertzogen zu Sachsen/
Ihrer Fürstl. Durchl. fol. 82. & 84.

(32.) Nichts destoweniger habe ich die Lüneburgische
Vocation zu persequiren mir beständiglich fürgesetzet/ und
endlich nach beschwerlicher Vergünstigung umb mein Fami-
liam und Supellectilia von Schleusingen nacher Lüneburg
zu transponiren von dar ab/ den 16. Augusti gereiset/ und
den 23. GOtt Lob frisch und gesund/ bey den Meinigen wie=
der einkommen.

(33.) Diese meine Zurückkunft habe ich der Wol=
löblichen Regierung notificiret/ und umb großgünstige Di-
mission gebührend angesuchet/ worauff die Antwort an den
Herrn Superintendenten Praetorium erfolget/ solcher ge=
stalt/ daß ich mich auch bey Hertzog Ernstens Fürstl. Durchl.
zuvor anmelden solte/ welches ich gethan.

(34.) Anstatt aber/ daß ich gnädigste Dimission und
Beförderung zu vorhabender Reise erwartend ware/ bekom=
me ich neue Vocation zum Rectoratu Gothano, wie zu se=
hen in Originali fol. 116.

(35.) In welche Gewissens=Angst und Zweiffel ich
hierauff gerathen/ mag der ermessen/ dem dergleichen Fall
begegnet/ meines Orths aber aus den Actis von fol. 123. biß
zu den 174. guter massen bekant seyn wird.

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(36.) Woraus denn endlichen sattsam erhellet/ daß
meinem gnädigsten Landes=Fürsten und Herrn unterthänige
Folge zu leisten/ ich durchdringende Ursachen gehabt. Habe
demnach im Namen GOttes mich darein ergeben/ zum Re-
ctore Gothani Gymnasii mich bestellen und introduciren las=
sen/ wie zu sehen. fol. 177. 179. 180.

(37.) Worauff denn die Fürstl. schrifftliche Bestal=
lung in Origin. fol. 182. erfolget.

GOTT/ dem barmhertzigen Vater/ sey Lob und
ewigen Danck gesaget/ daß Er mich endlichen aus so müh=
seligen Labyrinth gerissen und in leidliche Ruhe gesetzet/
der gebe zu fernerer Verrichtung seine Gnade/ daß ich
nichts thue/ rede und dencken möge/ als was nur zu sei=
nes allerheiligsten Namens Lob und Ehre/ und meines
Nechsten Nutz gereichen thut/ umb JEsu CHristi/ mei=
nes Erlösers und Heylandes willen/ Amen!

Bißher aus dem eigenhändig geschriebenen

Manual.

Daß nun dieser von GOtt mit trefflichen Gaben auß=
gerüstete und von Ihrer Fürstl. Durchl. unsern gnädigen
lieben Landes Vater in diesem herrlichen Hause GOttes/
nemblich unsern hiesigen Fürstl. Gymnasio glücklich beruffe=
ner Haußhalter die eintzig an ihm erforderte Treue auch würck=
lich und mit grossem Nachdruck erwiesen habe/ ist zuförderst
aus dem Hertzens=Wuntsch/ den Er vor seiner Ampts=Ver=
richtung allezeit gehabt/ daß Er nemblich umb JEsu CHri=
sti willen von GOtt eintzig begehret und bittet/ daß Er nichts
thun/ reden oder gedencken möchte/ als was zu GOttes Eh=
re und des Nechsten Besten und Auffnehmen gereichen thue/
zu vernehmen. Zu welchem Zweck Er/ als ein guter Theo-

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logus und Grund=gelehrter Philosophus, in weit höhern
Grad gelangen können und auch gelanget ist/ weder etwa ei=
ner/ der so vieler Sachen unerfahren. Denn da hat Er aus
der Theologia alle GOtt wol=gefällige Tugenden gefasset/
und Christlich im Thun/ Reden und Gedancken gebrauchet.
Die Philosophia, als omnium rectè dictorum factorum-
que mater, hat Ihm gewißlich auch die Hand geboten/ und
aus natürlichem Grunde das recht thun/ recht reden/ und recht
dencken/ als in einem von GOtt außgearbeiteten Spiegel vor=
gemahlet. Als Er nun mit solchem Hertzen in diesem Gy-
mnasio, wie Er oben selbst gedacht/ auff Fürstl. gnädige Ver=
ordnung angelanget/ ist dasselbe/ wiewol in sehr gefährlichen
bösen Krieges Zeit in mehres Auffnehmen kommen. Die
Zahl der Discipulorum hat sich bald/ bevorab in den
zweyen obern Classen umb ein merckliches vermehret. Es
ist Anno 45. eine Classis Selecta angestellet worden/ worin=
nen noch in etwas höhern Grad die Linguas, Artes und Disci-
plinas zu lehren Er Ihm sehr angelegen seyn lassen. Also
hat GOtt/ der Brunn aller Weißheit/ zu des Mannes Thun
seine Gnade solcher Gestalt gegeben/ daß viel/ so wol Lan=
des Kinder/ als Außländische dieses Gymnasium mit unver=
gleichlichen Nutzen besuchet und solida fundamenta erudi-
tionis, darinnen geleget: Dannenhero in dieser 33sig=jähri=
gen Zeit vornehme Theologi, Iuris-Consulti, Medici, Phi-
losophi, Philologi, und andere in bürgerlichen und häußli=
chen Sachen nützliche Leute in grosser Anzahl durch GOt=
tes Segen und anderer Gelehrten Beyarbeit entstanden/ von
welchen dieses Mannes Treue und Lehrhafftigkeit ohne Heu=
cheley gepriesen/ und also dessen/ wiewol Ihm seliger Tod/ be=
trauert werden wird. Was vor Treue ferner in Außarbei=
tung vieler nützlicher P[h]ilosophischer/ Philologischer und ad

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Didactiam gehöriger Bücher von diesem Mann angewen=
det worden/ das bezeuget die That ebenmässig selbst/ und lo=
bet das Werck den Meister. Vornemblich sind dessen Mar-
garita, Grammatica und Theatrum Romano-Teutoni-
cum, wegen grosser Nutzbarkeit in nicht geringen Werth.
Wir wollen der herrlichen und ungemeinen Mathematischen
Instrumenten und Kunst=Stücken/ die Er theils angegeben/
theils mit grosser Mühe und nicht geringen Unkosten zu son=
derbahrer Vergnügung der Kunstliebenden herbey geschaf=
fet/ anjetzo nicht gedencken/ auch geschweigen der herrlichen
Bibliothec/ u[n]d daß durch seinen Fleiß und Wachsamkeit aus
seiner Druckerey allerley köstliche Bücher vieler gelehrten Leu=
te mit sonderbahrer reiner Correctur an den Tag gegeben
worden. Der Ihrer Fürstl. Durchl. gnädige Verordnung
ist Er allezeit treulich und unverdrossen nachkommen/ und in
geheimen Sachen sehr verschwiegen gewesen: In den Ordi-
nar-Stunden hat Er die Lectiones treulich erkläret/ ohne
gar erheblich oder u[n]umbgängliche Ursache keine Stunde ver=
säumet oder abgebrochen/ seinen Discipulis hat Er via bre-
vissima die fundamenta eruditionis gewiesen/ und es mit den=
selben/ so wol Armen als Reichen/ Hohen und Niedrigen/
durchgehend gut gemeynet/ und als ein treuer Baumeister
omnem vacuitatis sive ignoratiae angulum an denselben
wollen außfüllen. Dannenhero Er in seiner Arbeit GOttes
Segen und Schutz/ in mancher Feindschafft der Engel him[m]=
lisches Geleit/ Ihrer Fürstl. Durchl. gnädigen Beystand
und Hulde/ anderer Gelehrten gutes Verständnis/ vieler
Discipulorom beständige Liebe und gleichsam kindliche Af-
fection und sonsten allerley Gutes verspühret.

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Anlangende dessen geführtes Christenthumb/ so könten
wir aus diesem inserirten Bericht gleichsam die gantze Massam
desselben und also ex ungue Leonem leichtlich aestimiren.
Dennoch ist gewiß und von Ihm kürtzlich zu sagen: Daß Er
kein Heuchler gewesen/ sondern einer/ der es mit seinem GOtt
und Erlöser CHristo JEsu recht gemeynet/ seine Theolo-
giam auch in der That geübet/ die wahre Gottseligkeit öf=
fentlich und daheim eyfferig getrieben/ mit Lust und Freude
zur Kirchen kommen/ sein Gebet ernstlich und sehr demüthig
zu GOtt geschicket/ und den Predigten mit Andacht beyge=
wohnet. Insonderheit GOttes Wort zu üben/ sich gegen
den Nechsten liebreich und gutthätig erwiesen. Mit allen
seinen untergebenen Collegen ist Er freundlich und auffrich=
tig umbgangen/ die Höhern auch mit gebührender Ehrerbie=
tung respectiret/ in allerley entstandener Trübsal ist Er nicht
allzu kleinmüthig worden/ sondern sich in GOttes gnädige
Regierung und väterliche Vorsorge kindlichen ergeben/ und
jederman mit einem Gottseligen exemplarischen Leben vor=
geleuchtet.

Folget ferner im Autographo.

In den Stand der heiligen Ehe habe auff inbrünstiges
Gebet zum lieben GOtt Ich mich ordentlicher Weise bege=
ben/ und öffentliche Sponsalia gehalten auff den Tag Se=
bastiani/ war der 20. Ianuarii Anno 1633.
zu Suhla/ mit
Jungfer Catharinen/ Herrn M. Sebastiani Abessers/
Pfarrers zu Suhla/ Superintendentis & Consistorialis
Hennebergici einigen ehlichen Tochter/ und solches Ehege=
löbnis durch priesterliche Copulation daselbsten öffentlich voll=
zogen/ den 6. Maii gedachten 1633. Jahrs.

In solchem Ehestand sind erzeuget worden 12. Kinder/

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als 7. Söhne und 5. Töchter/ davon noch 6. Söhne und
eine Tochter am Leben/ benanntlich:

Herr Samuel, I.U. Doctor und Prof. Publ. zu Kiel.

Herr Andreas, Doct. Phil. & Medic. allhier.

Herr Salomon, des Raths und Buchhändler/ und

Herr Christoph Buchdrucker allhier/

Herr Johannes Philosoph. Stud. in Leipzig/

Michaël, der Buchdrucker=Kunst Befliessener.

Und die Tochter/ Fr. Catharina/ welche an Herrn Johan
Paul Wintern
Raths=Verwandten und Handelsmann in
Suhl verheyrathet.

Von solchen Kindern hat Er an Dichterlein erlebet 5.
welche noch so lang es GOtt gefällig am Leben. Nach=
dem solche seine erste liebe Haußfrau a[n] den 21. Martii/ An. 1657.
in Ihrem Erlöser CHristo selig entschlaffen/ hat Er sich an=
derweitig/ den 30. Novembris am Tage Andreae 1658. in
den Heil. Ehestand begeben/ so auch den 18. Ianuarii 1659.
allhier vollzogen worden mit [Tit.] Jungfer Anna Blandi=
na
/ Herrn Friedrich Backofens/ gewesenen Ministratur-
Collectoris S. allhier/ ältesten Tochter/ und hat in diesem
Ehestand erzeuget 3. Söhne und 3. Töchter/ davon noch
2. Söhne/benanntlich Ephraim und Ernst/ am Leben/ 1.
Sohn und 3. Töchter aber vor dem Vater verstorben.

Die Kranckheit belanget/ ist Er zwar von Jugend
auff jederzeit guter Leibes=Constitution gewesen/ und ob Er
schon je bißweilen von hitzigen Flüssen und etlichmal von
Fiebern Niederlage außgestanden/ ist Er doch wieder davon
liberiret worden/ biß Er verwiechenen Mittwochens vor den
Heil. Oster=Ferien/ war der 26. Martii
/ Mattigkeit und
Donnerstags darauff Frost empfunden/ darzu denn nicht

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allein innerliche Bekümmernis kommen/ sondern es sind auch
durch den unvermutheten Todes=Fall seines mittleren Sohnes
Christiani folgends alle verhandene Kräffte entgangen/ wel=
che auch durch keine/ wiewol köstliche Medicamenta, wieder
erhoben werden können/ woraus man denn leichtlich abge=
nommen/ GOtt der Allmächtige werde mit Ihm aus dieser
argen Welt eilen/ und zu sich in seine ewige Freude abfor=
dern. Dannenhero wie ich der Superintendens Ihn in den
Oster=Feyertagen besuchet/ und Christliche Discurs, zumaln
von seinem Zustand/ mit Ihme/ da Er noch bey ziemlichen
Kräfften war/ geführet: Also bin ich Mittwochens den 2.
Aprilis
/ frühe Morgens nach 3. Uhr zu ihm erfordert wor=
den/ und habe Ihn zwar in solcher Schwachheit angetrof=
fen/ daß man daraus sein herbey nahendes Ende wol abneh=
men konte/ gestalt ihm denn die Sprache schon entfallen war/
allein weil Er mit Handdrücken und andern Anzeigungen zu
vernehmen gab/ daß der Verstand noch unverrückt bey ihm
ware/ so ist Ihme mit Sterbens=Gebeten und Trost=Sprü=
chen vorgegangen worden/ biß Er unterm Gebet der Umb=
stehenden umb 8. Uhr vor Mittage in seinem Erlöser Christo
JEsu sanfft und selig eingeschlaffen/ seines Alters
72. Jahr/ weniger vier Wochen und
zwey Tage.