Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Über die Darstellung "guter Ordnung" in Leichenpredigten

01.11.2014

Kategorie: Neuerscheinungen

Neue Untersuchung zu fürstlichen Funeralwerken

In Heft 2/2014 der religionshistorischen Fachzeitschrift Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses (RHPR) veröffentlichte vor kurzem Frau Prof. Dr. Irene Dingel, Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte (IEG) und u.a. Vorsitzende der Kommission für Personalschriften der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, einen Beitrag über fürstliche Leichenpredigten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Unter dem Titel "Religion et politique dans les éloges funèbres des souverains des XVIe et XVIIe siècles" richtet die Autorin den Fokus auf den Umgang mit den Themen Religion und Politik in derartigen Predigten, wobei sie sowohl Schriften protestantischen als auch katholischen Glaubens auswertet.

Unabhängig voneinander nutzen die Verfasser häufig biblische Vorbilder als Ausgangspunkte ihrer Darstellungen. Deutlich tritt dabei die unterschiedliche konfessionelle Positionierung der Verfasser zutage; die dahinterliegenden Intentionen sind auf den ersten Blick gänzlich andere: Während protestantische Prediger die biblischen Charaktere verwenden, um den Zuhöreren - und explizit den Nachfolgern der verstorbenen Souveräne - protestantische Ordnungsvorstellungen nahezulegen und diese zudem konkret mit Erwartungen an die zukünftige politische Situation im jeweiligen Fürstentum in Verbindung bringen, interpretieren katholische Leichenpredigten die biblischen Vorbilder im Sinn der klassisch-humanistischen Tradition des Fürstenlobs. Indem sie dabei vorgelebte Tugend, aber auch einen möglichen Mangel an Tugend thematisieren, nehmen letztere fast normativ zu nennenden Charakter an.

Bei näherer Analyse der Texte kann Irene Dingel allerdings aus diesen Beobachtungen das interessante Fazit ziehen, dass sich die Absichten keineswegs diametral gegenüberstanden: Der Zweck aller Predigten bestand unabhängig von ihren konfessionellen Prägungen vielmehr darin, neben der Erinnerung an die Verstorbenen, deren Nachfolger in den Regierungsämtern zu ermahnen, für die Aufrechterhaltung bzw. die Wiederherstellung der "guten Ordnung" zu sorgen. Damit waren ausgeglichene Verhältnisse zwischen Religion und Politik gemeint, die sich aus einer Rangordnung bestimmter weltlicher und religiöser Kritierien etablierten.

 

Bibliographische Informationen:
Irene Dingel, Religion et politique dans les éloges funèbres des souverains des XVIe et XVIIe siècles, in: Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 94 (2014), H. 2, S. 137-161, ISSN 0035-2403

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