Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

Prinzenreisen im Spiegel von Leichenpredigten

18.07.2011

Kategorie: Neuerscheinungen

Cover "Die Prinzenreise"

Kürzlich erschien in der Reihe „Schriften zur Residenzkultur“ die Dissertation von Eva Bender über „Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts“ (Lukas Verlag Berlin, 2011). Die Untersuchung stützt sich dabei insbesondere auf Informationen aus Leichenpredigten, die als aussagekräftige Quellen für dieses Forschungsfeld von der Autorin herangezogen werden.

Prinzenreisen gehörten zum Kern der Fürstenerziehung in der Frühen Neuzeit. Die jungen Männer sollten auf einer zum Teil mehrjährigen Europareise neben Studien und Exerzitien Weltläufigkeit lernen, ihre Sprachkenntnisse perfektionieren und aktiv erproben sowie an den wichtigsten Höfen vorstellig werden. Ihr Weg führte nach Frankreich, Italien, in die Vereinigten und die Spanischen Niederlande, nach England und Skandinavien. Die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert gilt als die klassische Hochphase der Kavalierstour und ihrer fürstlichen Sonderform, der Prinzenreise.

Die Autorin geht erstmals der Frage nach, welche Ursachen zu dieser intensivierten Reisetätigkeit führten. Auf der Basis von normativen Quellen wie Fürstenspiegeln einerseits und den Korrespondenzen während der Reise andererseits analysiert sie die Reisen aller zwischen 1671 und 1681 geborenen deutschen Prinzen. Im Fokus stehen Aspekte wie die Dauer der Reisen, das Reisealter der Prinzen, das Inkognito, die Begleitung und die Kosten. Daneben liegt ein Augenmerk auf den unterschiedlichen geographischen und bildungsrelevanten Reisezielen, wobei dem Zeremoniell eine Schlüsselstellung in der Analyse der Interaktionen zukommt. Sehr genau wurde das den Prinzen von den auswärtigen Souveränen und Fürsten entgegengebrachte Verhalten dokumentiert und an den heimischen Hof kommuniziert. Die dabei dem Prinzen entgegengebrachte Ehre war der Gradmesser für die Stellung seiner Dynastie und seines Territoriums innerhalb der höfischen Gesellschaft.

Eva Bender kann nachweisen, dass die Gründe für die verstärkte Reisetätigkeit deutscher Prinzen in der besonderen staatsrechtlichen Situation der Reichsstände nach 1648 liegen. Diese konkurrierten in der Umbruchphase des internationalen Staatensystems um Aufstieg innerhalb der europäischen Adelshierarchie. Ein wesentliches Instrument zur Formulierung des beanspruchten Ranges war dabei die Prinzenreise, die vor allem der Vergewisserung des fürstlichen Selbstverständnisses diente. Erstmals wird dies anhand einer gesamten Generation von Prinzen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation aufgezeigt.

Neben den archivalischen Quellen für die acht näher untersuchten Fallbeispiele sind auch für die übrigen Mitglieder der Untersuchungsgruppe Leichenpredigten die Hauptquelle. Insbesondere der Personalia-Teil liefert dabei wesentliche Informationen zur Reise, Reiseroute und besuchten Ländern und Städten. Außerdem gibt er Auskunft über die dem reisenden Prinzen und seiner Dynastie entgegengebrachten Ehre und dokumentiert damit die für die dynastische Memoria wichtige Stellung der Dynastie innerhalb der europäischen Adelshierarchie. Wie wichtig diese Positionierung auch in der Leichenpredigt als schriftlich fixiertes Medium war, zeigt sich daran, dass gerade in dieser Quelle begründet wurde, warum eine geplante Prinzenreise gelegentlich nicht stattfinden konnte. Erstaunlicherweise war für einige Personen der Untersuchungsgruppe die Leichenpredigt mit dem Personalia-Teil die einzige überhaupt verfügbare Information über den Lebenslauf und eine absolvierte Reise. Dieser letzte Punkt hebt die Bedeutung von Leichenpredigten und Personalschrifttum als Quelle für die historische Forschung mit prosopographischem Schwerpunkt besonders hervor.

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