Forschungsstelle für Personalschriften Marburg

5.800 neue Berufsbezeichnungen in THEPRO

05.06.2012

Kategorie: Nachrichten

Icon der Datenbank THEPRO

Die Datenbank THEPRO erschließt nun – nach einem soeben durchgeführten Update – insgesamt 28.877 historische Berufsbezeichnungen aus der Frühen Neuzeit. Ein herzlicher Dank gebührt den Herren Dr. Uwe Bredehorn und Lic. theol. Werner Hupe für ihre hilfreiche und anregende Mitarbeit an diesem Update. Unter den rund 5.800 neu hinzugekommenen Bezeichnungen gibt es wieder zahlreiche interessante, heute nicht mehr gebräuchliche. Einige außergewöhnliche Beispiele seien hier kurz vorgestellt.

Humanistisch Gebildete entfalteten in der Frühen Neuzeit beim Übersetzen zeitgenössischer Berufsbezeichnungen in den lateinischen und griechischen Wortschatz der Antike eine erstaunliche Kreativität. Wenn man beispielsweise in einer frühneuzeitlichen Quelle auf einen Aeditumus stößt, so hat man es nicht mit einem Tempelhüter, sondern mit dem Küster einer Kirche zu tun. Nicht selten stellten Pädagogen und Seelsorger ihre Griechisch-Kenntnisse in ihren Beiträgen zu Leichenpredigt-Publikationen unter Beweis, so ein Schulrektor, der sich als Κυβερνητήρ σχολη̃ς (Kyberneter scholes) bezeichnet. Das heißt in wörtlicher Übersetzung Steuermann der Schule.

Ein Syndicus sedis Tavernicalis – Syndikus des Schenkengerichts – wirft die Frage auf, ob sich Justitia damals in unlautere Gesellschaft begeben hat. Bei dem Schenkengericht handelt es sich um den sogenannten, in Schlesien und der Lausitz verbreiteten Gerichtskretscham, ein Gasthaus, in dem der Gerichtsschulze nicht nur seine Schankgerechtigkeit ausübte, sondern auch dem Dorfgericht vorsaß. Kretscham – Dorfschenke – ist ein Wort slawischen Ursprungs. Mitglied eines Gerichts, das ebenfalls einen außerwöhnlichen Namen trug, war der Assessor des Hansgerichts. Dieses in Regensburg ansässige Gericht war mit dem dortigen erstmals 1184 erwähnten Hansgrafenamt verbunden, das die Regensburger Kaufleute außerhalb der Stadt rechtlich vertrat.[1] Der Wortbestandteil Hans oder Hanse bezeichnet eine Handelsgenossenschaft. Ein Staller war nicht, wie man vermuten würde, ein Stallknecht, sondern ein landesherrlicher Richter auf der Halbinsel Eiderstedt in Nordfriesland. Als Verbitter wurde der Propst des Klosters Itzehoe bezeichnet, weil er die Versammlungen der holsteinischen Ritterschaft verbat, d.h. einberief.

Aus dem universitären Bereich, der in THEPRO von den Professoren und ihren vielfältigen Fächerbezeichnungen und -kombinationen dominiert wird, stammt eine weitere neu in THEPRO nachgewiesene, interessante Bezeichnung: der Depositor. Sie ist von einem Ritual, der sogenannten Deposition, abgeleitet, das der eigentlichen Immatrikulation vorausging.[2] Angehende Studenten mussten sich während dieser symbolischen Handlung auf den Erdboden niederlegen, und es wurden ihnen beispielsweise angeheftete Hörner mit furchterregenden Werkzeugen entfernt. Für die Durchführung der Deposition war ein älterer und erfahrener Student zuständig, der Depositor, dem die neuen Studenten Gebühren zu entrichten hatten.[3]

Handwerker sind zwar in den überlieferten Leichenpredigten auf Angehörige des Dritten Standes eher unterrepräsentiert, doch hat auch dieses Datenbank-Update wieder außergewöhnliche historische Bezeichnungen spezialisierter Handwerke erbracht. So braute ein Breuhahnbrauer beispielsweise Weißbier. Ein Flaschner stellte Flaschen aus Blech her. Ein Rotgießer goss Gegenstände aus Kupfer.

Zum Abschluss sei noch eine neu in THEPRO hinzugekommene Berufsbezeichnung erwähnt, die schon auf den ersten Blick zu erkennen gibt, dass sie eine nicht ganz ernsthafte Tätigkeit meint: Kurtzweiliger Tisch Rath. Hans Miesko, der 1619 gestorbene Hofnarr Herzog Philipp II. von Pommern, trug diese Bezeichnung. Der Stettiner Pastor Philipp Cradelius musste sich in der Einleitung seiner Leichenpredigt auf Miesko dafür rechtfertigen, einen Narren auf diese Weise zu ehren.[4]

 


[1]    Vgl. Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III, 3, Geschichte der Oberpfalz und des bayerischen Reichskreises bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 306.

[2]    Vgl. Rasche, Ulrich: Deposition, in: Jaeger, Friedrich: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 2, Stuttgart/Weimar 2005, Sp. 924-927.

[3]    Vgl. beispielsweise auch Wallentin, Stefan: Fürstliche Normen und akademische »Observanzen«. Die Verfassung der Universität Jena 1630–1730 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe Bd. 27), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 292ff.

[4]  Die Leichenpredigt ist von der Staatsbibliothek zu Berlin digitalisiert worden und unter folgender Adresse im Netz einzusehen: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000062DD00000000 (Letzter Zugriff: 6. Juni 2012).

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